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Meister Eckhart Predigten
Die
Seligkeit tat ihren Mund der Weisheit auf und sprach: »Selig sind die Armen des
Geistes, das Himmelreich ist ihrer.« Alle Engel und alle Heiligen und alles was
je geboren ward, muss schweigen, wenn diese ewige Weisheit des Vaters spricht;
denn alle Weisheit der Engel und aller Kreaturen ist lauter nichts vor der
Weisheit Gottes, die grundlos ist. Diese Weisheit hat gesagt, dass die Armen
selig seien. Nun gibt es zweierlei Armut. Die eine ist eine äusserliche Armut
und die ist gut und ist sehr an dem Menschen zu loben, der es mit Willen tut
unserm Herrn Jesus Christus zulieb, weil er sie selber auf Erden geübt hat.
Von dieser Armut will ich nichts weiter sagen. Aber es gibt
noch eine andere Armut, eine inwendige Armut, von der dies Wort unseres Herrn zu
verstehn ist, das er sagt: »Selig sind die Armen des Geistes oder an Geist.«
Nun bitte ich euch, ihr möchtet so sein, dass ihr diese Rede versteht, denn ich
sage euch bei der ewigen Wahrheit, wenn ihr der Wahrheit, von der wir jetzt
reden, nicht gewachsen seid, so könnt ihr mich nicht verstehen. Etliche Leute
haben mich gefragt, was Armut sei? Darauf wollen wir antworten.
Bischof
Albrecht sagt, der sei ein armer Mensch, dem alle Dinge, die Gott je schuf,
nicht Genüge tun, und das ist gut gesagt. Aber wir sagen es noch besser und
nehmen Armut in einem höheren Sinne. Das ist ein armer Mensch, der nichts will
und nichts weiss und nichts hat. Von diesen drei Punkten will ich sprechen.
Zum
ersten also heisst der ein armer Mensch, der nichts will. Diesen Sinn verstehn
etliche Leute nicht recht; das sind die Leute, die peinlich an Pönitenzien und
äusserlichen Bussübungen festhalten (dass die Leute in grossem Ansehen stehen,
das erbarme Gott!) und sie erkennen doch so wenig von der göttlichen Wahrheit.
Diese Menschen heissen heilig nach dem äussern Ansehen, aber von innen sind sie
Esel, denn sie verstehen es nicht, die göttliche Wahrheit zu unterscheiden.
Diese Menschen sagen, der sei ein armer Mensch, der nichts will. Das deuten sie
so, der Mensch solle so sein, dass er an keinen Dingen seinen Willen mehr erfülle,
vielmehr danach trachten solle, dem allerliebsten Willen Gottes zu folgen. Diese
Menschen sind nicht übel daran, denn ihre Absicht ist gut; darum sollen wir sie
loben; Gott und seine Barmherzigkeit erhalte sie. Aber ich sage mit guter
Wahrheit, dass sie keine armen Menschen und nicht armen Menschen gleichzustellen
sind. Sie sind in der Leute Augen gross geachtet, die sich auf nichts Besseres
verstehen. Doch sage ich, dass sie Esel sind, die von göttlicher Wahrheit
nichts verstehn. Mit ihren guten Absichten können sie vielleicht das
Himmelreich erlangen, aber von dieser Armut, von der ich jetzt künden will, von
der wissen sie nichts.
Wenn
mich nun einer fragt, was denn ein armer Mensch sei, der nichts will, so
antworte ich und spreche so. Solange der Mensch das hat, was in seinem Willen
ist, und solange sein Wille ist, den allerliebsten Willen Gottes zu erfüllen,
der Mensch hat nicht die Armut, von der wir sprechen wollen, denn dieser Mensch
hat einen Willen, mit dem er dem Willen Gottes genug tun will, und das ist nicht
das rechte. Denn will der Mensch wirklich arm sein, so soll er seines
geschaffenen Willens so entledigt sein, wie er war als er nicht war. Und ich
sage euch bei der ewigen Wahrheit, solange ihr den Willen habt, den Willen
Gottes zu erfüllen und irgend nach der Ewigkeit und nach Gott begehret, so
lange seid ihr nicht richtig arm; denn das ist ein armer Mensch, der nichts will
und nichts erkennt und nichts begehrt.
Als
ich in meiner ersten Ursache stand, da hatte ich keinen Gott und gehörte mir
selbst; ich wollte nichts, ich begehrte nichts, denn ich war ein blosses Sein
und ein Erkenner meiner selbst nach göttlicher Wahrheit; da wollte ich mich
selbst und wollte kein anderes Ding; was ich wollte, das war ich, und was ich
war, das wollte ich, und hier stand ich ledig Gottes und aller Dinge. Aber als
ich aus meinem freien Willen hinausging und mein geschaffenes Wesen empfing, da
bekam ich einen Gott; denn als keine Kreaturen waren, da war Gott nicht Gott; er
war was er war. Als die Kreaturen wurden und ihr geschaffenes Wesen anfingen, da
war Gott nicht in sich selbst Gott, sondern in den Kreaturen war er Gott. Nun
sagen wir, dass Gott danach dass er Gott ist, nicht ein vollendetes Ziel der
Kreatur ist und nicht so grosse Fülle, als die geringste Kreatur in Gott hat.
Und gäbe es das, dass eine Fliege Vernunft hätte und vernünftig den ewigen
Abgrund göttlichen Wesens, aus dem sie gekommen ist, suchen könnte, so sagen
wir, dass Gott mit alledem, was Gott ist, die Fliege nicht ausfüllen und ihr
nicht genug tun könnte. Deshalb bitten wir darum, dass wir Gottes entledigt
werden und die Wahrheit vernehmen und der Ewigkeit teilhaft werden, wo die
obersten Engel und die Seelen in gleicher Weise in dem sind, wo ich stand und
wollte was ich war, und war was ich wollte. So soll der Mensch arm sein des
Willens und so wenig wollen und begehren wie er wollte und begehrte, als er
nicht war. Und in dieser Weise ist der Mensch arm, der nichts will.
Zum
zweiten ist der ein armer Mensch, der nichts weiss. Wir haben manchmal gesagt,
der Mensch sollte so leben als ob er nicht lebte, weder sich selbst noch der
Wahrheit noch Gott. Aber jetzt sagen wir es anders und wollen ferner sagen, dass
der Mensch, der diese Armut haben soll, alles haben soll, was er war als er
nicht lebte, in keiner Weise lebte, weder sich, noch der Wahrheit, noch Gott, er
soll vielmehr alles Wissens so quitt und ledig sein, dass selbst nicht Erkennen
Gottes in ihm lebendig ist; denn als der Mensch in der ewigen Art Gottes stand,
da lebte in ihm nichts anderes: was da lebte, das war er selbst. Daher sagen wir,
dass der Mensch so seines eigenen Wissens entledigt sein soll, wie er war als er
nicht war, und Gott wirken lasse, was er wolle, und frei dastehe, als wie er von
Gott kam.
Nun
ist die Frage, wovon allermeist die Seelheit abhänge? Etliche Meister haben
gesagt, es komme auf das Begehren an. Andere sagen, es komme auf Erkenntnis und
auf Begehren an. Aber wir sagen, sie hänge nicht von der Erkenntnis noch von
dem Begehren ab, sondern es ist ein Etwas in der Seele, aus dem fliesst
Erkenntnis und Begehren, das erkennt selbst nicht und begehrt nicht so wie die
Kräfte der Seele.
Wer dies erkennt, der erkennt, wovon die Seelheit abhänge.
Dies Etwas hat weder vor noch nach und es wartet nicht auf etwas Hinzukommendes,
denn es kann weder gewinnen noch verlieren. Darum ist ihm jegliche Möglichkeit
ganz und gar benommen, in sich zu wirken, es ist vielmehr immer dasselbe Selbe,
das sich selbst in der Weise Gottes verzehrt. So, meine ich, soll der Mensch
quitt und ledig dastehen, dass er nicht weiss noch erkennt, was Gott in ihm
wirkt, und dann kann der Mensch Armut sein eigen nennen. Die Meister sagen, Gott
sei Wesen und zwar ein vernünftiges Wesen und erkenne alle Dinge. Aber ich
sage: Gott ist weder Wesen, noch Vernunft, noch erkennt er etwas, nicht dies und
nicht das. Darum ist Gott aller Dinge entledigt, und darum ist er alle Dinge.
Wer nun des Geistes arm sein will, der muss alles seinen eigenen Wissens arm
sein, als einer, der nichts weiss und kein Ding, weder Gott, noch Kreatur, noch
sich selbst. Dagegen ist es nicht so, dass der Mensch begehren solle, den Weg
Gottes zu wissen oder zu erkennen. In der Weise, wie ich gesagt habe, kann der
Mensch arm sein seines eigenen Wissens.
Zum
dritten ist der ein armer Mensch, der nichts hat. Viele Menschen haben gesagt,
das sei Vollkommenheit, dass man nichts von den leiblichen Dingen
dieser Erde hat, und das ist in einem gewissen Sinne schon
wahr, wenn einer es mit Willen tut. Aber dies ist nicht der Sinn, den ich meine,
Ich habe vorhin gesagt, der sei ein armer Mensch, der nicht den Willen Gottes
erfüllen will, sondern so leben will, dass er seines eigenen Willens und des
Willens Gottes so entledigt sei, wie er war als er nicht war. Von dieser Armut
sagen wir, dass sie die ursprünglichste Armut sei. Zweitens sagen wir, das sei
ein armer Mensch, der die Werke Gottes in sich selber nicht kennt. Wer so des
Wissens und Erkennens ledig steht, wie Gott aller Dinge ledig steht, das ist die
offenbarste Armut. Aber die dritte Armut, von der ich sprechen will, das ist die
tiefste, nämlich dass der Mensch nichts hat.
Nun
gebt ernstlich acht; ich habe oft gesagt, und es sagen es auch grosse Meister,
der Mensch solle aller Dinge und aller Werke, sowohl innerlich wie äusserlich,
so entledigt sein, dass er eine Eigenstätte Gottes sein könne, worin Gott
wirken könne. Jetzt aber künden wir es anders. Steht die Sache so, dass der
Mensch aller Dinge ledig steht, aller Kreaturen und seiner selbst und Gottes,
und ist es noch so in ihm bestellt, dass Gott eine Stätte in ihm zu wirken
findet, so sagen wir: solange das in dem Menschen ist, ist der Mensch nicht arm
in der tiefsten Armut, denn Gott ist nicht der Meinung mit seinen Werken, der
Mensch solle eine Stätte in sich haben, worin Gott wirken könne, sondern das
ist eine Armut des Geistes, dass der Mensch Gottes und aller seiner Werke so
ledig steht, dass Gott, wenn er in der Seele wirken will, selbst die Stätte sei,
worin er wirken will, und das tut er gerne. Denn findet Gott den Menschen so
arm, so ist Gott sein eigenes Werk empfangend und ist eine Eigenstätte seiner
Werke damit, dass Gott ein Wirken in sich selbst ist. Allhier erlangt der Mensch
in dieser Armut das ewige Wesen, das er gewesen ist und das er jetzt ist und das
er in Ewigkeit leben soll.
Daher
sagen wir, dass der Mensch arm dastehen soll, dass er kein Raum sein und keinen
haben soll, worin Gott wirken könne. Wenn der Mensch einen Raum behält, dann
behält er Unterschiedenheit. Darum bitte ich Gott, dass er mich Gottes quitt
mache, denn unwesenhaftes Wesen und Sein ohne Dasein ist über Gott und über
Unterschiedenheit; da war ich selbst, da wollte ich mich selbst und erkannte
mich selbst diesen Menschen machend, und darum bin ich Ursache meiner selbst
nach meinem Wesen, das ewig ist, und nach meinem Wesen, das zeitlich ist. Und
darum bin ich geboren und kann nach der Weise meiner Geburt, die ewig ist,
niemals ersterben. Nach der Weise meiner ewigen Geburt bin ich ewiglich gewesen
und bin jetzt und soll ewiglich bleiben. Was ich nach der Zeit bin, das soll
sterben und soll zunichte werden, denn es ist des Tages; darum muss es mit der
Zeit verderben. In meiner Geburt wurden alle Dinge geboren, und ich war Ursache
meiner selbst und aller Dinge, und wollte ich, so wäre ich nicht noch alle
Dinge, und wäre ich nicht, so wäre Gott nicht. Es ist nicht nötig, dies zu
verstehen.
Ein
grosser Meister sagt, sein Münden stünde höher als sein Entspringen. Als ich
aus Gott entsprang, da sprachen alle Dinge: Gott ist da. Nun kann mich das nicht
selig machen, denn hier erkenne ich als Kreatur; dagegen in dem Münden, wo ich
ledig stehen will im Willen Gottes, und ledig stehn des Willens Gottes und aller
seiner Werke und Gottes selbst, da bin ich über allen Kreaturen und bin weder
Gott noch Kreatur, sondern ich bin was ich war und was ich bleiben soll jetzt
und immerdar. Da erhalte ich einen Ruck, der mich über alle Engel schwingen
soll. Von diesem Ruck empfange ich so reiche Fülle, dass mir Gott nicht genug
sein kann mit alledem, was er Gott ist, mit all seinen göttlichen Werken, denn
mir wird in diesem Münden zu teil, dass ich und Gott eins sind. Da bin ich was
ich war, und da nehme ich weder ab noch zu, denn ich bin da eine unbewegliche
Ur-Sache, die alle Dinge bewegt. Allhier findet Gott keine Stätte im Menschen,
denn der Mensch erlangt mit seiner Armut, dass er ewiglich gewesen ist und immer
bleiben soll. Allhier ist Gott im Geist eins, und das ist die tiefste Armut, die
man finden kann.
Wer
diese Rede nicht versteht, der bekümmere sein Herz nicht damit. Denn solange
der Mensch dieser Wahrheit nicht gewachsen ist, so lange wird er diese Rede
nicht verstehen, denn es ist eine Wahrheit, die nicht ausgedacht ist, sondern
unmittelbar gekommen aus dem Herzen Gottes. Dass
wir so leben mögen, dass wir es ewig empfinden, das walte Gott. Amen.
Das
Allerbeste, das Gott dem Menschen je tat, das war, dass er Mensch ward. Davon
will ich eine Geschichte erzählen, die wohl hierher gehört. Es war ein reicher
Mann und eine reiche Frau, da stiess der Frau das Unglück zu, dass sie ein Auge
verlor, dessen ward sie sehr betrübt. Da kam der Herr zu ihr und sprach: »Frau,
warum seid ihr so betrübt? Ihr sollt darüber nicht betrübt sein, dass ihr
euer Auge verloren habt.« Da sprach sie: »Herr, ich bin nicht darum betrübt,
weil ich mein Auge verloren habe; ich bin darum betrübt, weil es mich dünkt,
ihr müsstet mich nun weniger lieb haben.« Da sprach er: »Frau, ich habe euch
lieb.« Danach nicht lange nachher stach er sich selbst ein Auge aus und kam zu
der Frau und sprach: »Frau, damit ihr nun glaubt, dass ich euch lieb habe, habe
ich mich euch gleich gemacht: ich habe nun auch nur noch ein Auge.«
Die
Meister sagen: alle Kreaturen wirken daraufhin, dass sie gebären und sich dem
Vater gleich machen wollen. Ein anderer Meister sagt: Jede wirkende Ursache
wirkt allein um ihres Zweckes willen, dass sie Rast und Ruhe in ihrem Zwecke
finde. Dies ist der Mensch, der konnte gar schwerlich glauben, dass ihn Gott so
lieb hat, bis Gott endlich sich selbst ein Auge ausstach und menschliche Natur
annahm. Dies ist Fleisch geworden.
In
principio. Ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns gegeben. Ein Meister sagt:
Alle Kreaturen wirken nach ihrer ersten Lauterkeit und ihrer allergrössten
Vollkommenheit. Also hat Gott getan. Er hat die Seele nach der allerhöchsten
Vollkommenheit geschaffen und hat in sie gegossen alle seine Klarheit in der
reinen Erstheit und ist doch unvermischt geblieben.
Nun
merke! Ich sprach neulich an einem Ort: Als Gott alle Kreaturen schuf, sollte er
da nicht vorher etwas geschaffen haben, das ungeschaffen war, das Bilder aller
Kreaturen in sich trug? Das ist der Funke,der ist Gott so nahe, dass er ein
einiges ungeschiedenes Eins ist und das Bild aller Kreaturen ohne Bild und über
Bild in sich trägt Eine Frage ward gestern unter grossen Gelehrten erörtert.
Mich wundert, sprach ich, dass niemand das allergeringste Wort ergründen kann,
und fragt ihr mich, ob ich, wenn ich ein einziger Sohn bin, den der himmlische
Vater ewiglich geboren hat, dann ewiglich Sohn gewesen sei, so antworte ich: ja,
und nein. Ja, ein Sohn: indem der Vater mich ewiglich geboren hat; und nicht
Sohn: entsprechend der Ungeborenheit. In principio. Hier ist uns zu verstehn
gegeben, dass wir einziger Sohn sind, den der Vater ewiglich aus dem verborgenen
Verstand der ewigen Verborgenheit geboren hat, indem er im ersten Beginne der
reinen Erstheit blieb, die da eine Fülle aller Reinheit ist. Hier habe ich
ewiglich geruht und geschlafen in der verborgenen Erkenntnis des ewigen Vaters,
innen bleibend, ungesprochen. Aus der Lauterkeit hat er mich ewiglich geboren
als seinen eingeborenen Sohn selber in das Bild seiner ewigen Vaterschaft, damit
ich Vater sei und den gebäre, von dem ich geboren bin. In gleicher Weise, als
ob einer vor einem hohen Berge stünde und riefe: »Bist Du da?« und der Schall
und der Hall riefe wieder: »Bist Du da?« Oder er spräche: »Komm heraus« und
der Schall antwortete: »Komm heraus!« Ja, wer in dem Lichte das Holz sähe, da
entstünde ein Engel und ein Vernünftiger und nicht allein vernünftig, es würde
lauter Vernunft, in der reinen Erstheit, die da eine Erfüllung aller Reinheit
ist. So tut Gott: er gebiert seinen eingeborenen Sohn in das höchste Teil der
Seele. Und während er seinen Sohn in mich gebiert, gebäre ich ihn wieder in
den Vater. Das war nicht anders, als dass Gott den Engel gebar, während er, der
Gott, von der Jungfrau geboren wurde.
Ich
dachte (es ist schon manches Jahr her), wenn ich gefragt würde, wieso jede
Grasspinne der andern so ungleich wäre, dann antwortete ich: dass alle
Grasspinnen so gleich sind, das ist noch wunderbarer. Ein Meister sprach; dass
alle Grasspinnen so ungleich sind, das kommt von der Verschwendung der göttlichen
Güte, die er verschwenderisch in alle Kreaturen giesst, damit seine
Herrlichkeit desto mehr offenbart werde. Da sprach ich: es ist wunderbarer, dass
alle Grasspinnen so gleich sind, und sprach: wie alle Engel in der reinen
Erstheit alleins sind, so sind alle Grasspinnen in der reinen Erstheit alleins,
und alle Dinge sind alleins.
Ich
dachte manchmal, wenn ich mich im Freien erging, der Mensch könne mit der Zeit
dazu kommen, dass er Gott zwingen kann. Wäre ich hier oben und spräche zu ihm:
»Komm herauf!« das wäre schwer. Aber spräche ich: »Setz dich hier nieder!«
das wäre leicht. So tut Gott.
Wenn der Mensch sich demütigt, so kann Gott in seiner Güte sich nicht
enthalten, er muss sich neigen und in den demütigen Menschen ergiessen, und dem
Allergeringsten gibt er sich mit seinem Allermeisten und gibt sich ganz und gar.
Was Gott gibt, das ist sein Wesen, und sein Wesen ist seine Güte, und seine Güte
ist seine Liebe. Alles Leid und alle Freude kommt von der Liebe.
Ich
überlegte unterwegs, als ich hierher gehn wollte, ich sollte zu Hause bleiben,
ich würde doch nass vor Liebe. Wenn auch ihr nass geworden seid, so wollen wir
es sein lassen. - Freude und Leid kommt von der Liebe. Der Mensch soll Gott
lieben, denn Gott liebt den Menschen mit all seiner höchsten Vollkommenheit.
Die Meister sagen, alle Dinge wirken daraufhin, dass sie sich dem Vater gleich
gebären wollen, und sagen: die Erde flieht den Himmel; flieht sie niederwärts,
so kommt sie niederwärts zum Himmel; flieht sie aufwärts, so kommt sie zu dem
Niedersten des Himmels. Die Erde kann dem Himmel nicht entfliehen: sie fliehe
auf oder nieder, der Himmel fliesst in sie und drückt seine Kraft in sie und
macht sie fruchtbar, es sei ihr lieb oder leid. So tut Gott dem Menschen: der
ihm entfliehen möchte, der läuft ihm in den Schoss, denn ihm sind alle Winkel
offen. Gott gebiert seinen Sohn in dir, es sei dir lieb oder leid, du schlafest
oder wachest, Gott tut das Seine. Dass der Mensch das nicht empfindet, das liegt
daran, dass seine Zunge mit dem Unflat der Kreatur beschmutzt ist und das Salz
der göttlichen Liebe nicht hat. Hätten wir die göttliche Liebe, so schmeckten
wir Gott und alle die Werke, die Gott je wirkte, und wir empfingen alle Dinge
von Gott und wirkten dieselben Werke alle, die er wirkt. In dieser Gleichheit
sind wir alle ein einziger Sohn.
Gott
schuf die Seele nach seiner höchsten Vollkommenheit, dass sie eine Geburt
seines eingeborenen Sohnes sein sollte. Da er dies wohl erkannte, so wollte er
herausgehen aus der heimlichen Schatzkammer seiner ewigen Vaterschaft, in der er
im ersten Beginne der reinen Erstheit geblieben war und ewig geschlafen und
herausgesprochen hat. Da hat der Sohn das Zelt seiner ewigen Glorie
aufgeschlagen und ist herausgekommen aus dem Allerhöchsten, weil er seine
Freundin holen wollte, die ihm der Vater ewiglich vermählt hatte, dass er sie
heimbrächte in das Allerhöchste, aus dem sie gekommen ist Darum ging er hinaus
und sprang herzu wie ein Jüngling und litt Leid aus Liebe. Aber nicht für
immer ging er hinaus, er wollte wieder hineingehen in seine Kammer, das heisst,
in die stille Dunkelheit der verborgenen Vaterschaft. Als er ausging aus dem
Allerhöchsten, da wollte er hineingehen mit seiner Braut und wollte ihr die
verborgene Heimlichkeit seiner Gottheit offenbaren, wo er mit sich selbst und
mit allen Kreaturen ruht.
In
principio heisst so viel wie ein Anfang allen Wesens. Es gibt auch ein Ende
alles Wesens, denn der erste Beginn ist um des letzten Endes willen. Ja, Gott
selbst ruht nicht da, wo er der erste Beginn ist, sondern er ruht da, wo er ein
Zweck und ein Ende ist und ein Rasten alles Wesens, nicht dass dies Wesen da
zunichte würde, sondern es wird da vollendet zu seiner höchsten Vollkommenheit.
Was ist das letzte Ende? Es ist die Verborgenheit der Dunkelheit der ewigen
Gottheit und ist unbekannt und ward nie erkannt und wird niemals erkannt. Gott
bleibt darin sich selbst unbekannt, und das Licht des ewigen Vaters hat ewiglich
darin geschienen, und die Dunkelheit begreift das Licht nicht. Dass wir zu
dieser Wahrheit kommen, dazu verhelfe uns die Wahrheit, von der wir gesprochen
haben. Amen.
»Ihr
sollt erneuert werden an eurem Geiste, der da mens heisset,« das heisst ein
Bewusstsein. So spricht Sankt
Paulus. Nun sagt Augustin, dass an dem ersten Teil der Seele, das da mens
heisst oder Bewusstsein, mit dem Wesen der Seele eine Kraft geschaffen hat, die
die Meister einen Verschluss oder Schrein geistlicher Formen oder formloser
Bilder heissen. Diese Kraft macht
den Vater der Seele gleich durch seine ausfliessende Gottheit, von der er den
ganzen Hort seines göttlichen Wesens in den Sohn und in den heiligen Geist mit
persönlicher Unterscheidung gegossen hat, wie die Gedächtniskraft der Seele
den Kräften der Seele den Schatz der Bilder ausgiesst. Wenn nun die Seele mit
dieser Kraft irgendwelche Bildlichkeit schaut, sei es das Bild eines Engels oder
ihr eigenes Bild, so ist es gar mangelhaft. Schaut sie Gott wie Gott ist oder
wie er Bild ist oder wie er drei ist, es ist mangelhaft. Wenn aber alle Bilder
der Seele abgeschieden werden und sie allein das einig Eine schaut, so findet
das nackte Wesen der Seele das nackte formlose Wesen göttlicher Einheit, das da
ist ein überwesendes Wesen, empfangend, in sich selbst liegend. O Wunder über
Wunder, welch edles Empfangen ist das, dass das Wesen der Seele nichts anderes
empfangen kann als allein die Einheit Gottes! Nun spricht Sankt Paulus: »Ihr
sollt erneuert werden am Geiste.« Erneuerung befällt alle Kreaturen unter Gott;
aber Gott befällt keine Erneuerung, er ist ganz Ewigkeit. Was ist Ewigkeit?
Passt auf. Die Eigenheit der Ewigkeit ist, dass Dasein und Jungsein in ihr eins
ist, denn die Ewigkeit wäre nicht ewig, wenn sie neu werden könnte und nicht
allewege wäre. Nun sage ich: die Seele befällt Erneuerung, insofern sie Seele
heisst, denn sie heisst darum Seele, weil sie dem Körper Leben gibt und eine
Form des Körpers ist Sie wird auch von der Erneuerung betroffen, insofern sie
Geist heisst Darum heisst sie ein Geist, weil sie von hier und von jetzt und von
aller Natürlichkeit abgeschieden ist. Aber insofern sie ein Bild Gottes ist und
namenlos wie Gott, da tritt keine Erneuerung an sie heran, sondern allein
Ewigkeit, wie in Gott. Nun passt auf! Gott ist namenlos, denn von ihm kann niemand etwas
sprechen oder verstehen. Darum sagt ein heidnischer Meister: Was wir von der
ersten Ursache verstehen oder sprechen, das sind wir mehr selbst, als dass es
die erste Ursache wäre, denn sie ist über allem Sprechen und Verstehen. Sage
ich nun: Gott ist gut, so ist es nicht wahr, sondern ich bin gut, Gott
ist nicht gut. Ich sage mehr: ich bin besser als Gott, denn was gut ist, kann
besser werden; was besser werden kann, kann das Allerbeste werden. Nun ist Gott
nicht gut, daher kann er nicht besser werden. Und wenn er also nicht besser
werden kann, so kann er auch nicht allerbest werden, denn diese drei sind fern
von Gott: gut, besser und allerbest, denn er ist über allem. Sage ich ferner:
Gott ist weise, so ist es nicht wahr: ich bin weiser als er. Sage ich ferner:
Gott ist ein Wesen, so ist es nicht wahr: er ist ein überschwebendes Wesen und
eine überwesende Nichtheit. Daher sagt Sankt Augustin: Das Schönste, was der
Mensch von Gott sprechen kann, das ist, dass er vor Weisheitsfülle schweigen
kann. Daher schweig und schwatze nicht von Gott, denn damit, dass du von ihm
schwatzest, lügst du, tust also Sünde. Willst du nun ohne Sünde sein und
vollkommen, so schwatze nicht von Gott. Du sollst auch nichts verstehen unter
Gott, denn Gott ist über allem Verstehen. Es sagt ein Meister: Hätte ich einen
Gott, den ich verstehen könnte, ich wollte ihn nimmer für Gott halten.
Verstehst du nun etwas unter ihm, davon ist er nichts, und damit, dass du etwas
unter ihm verstehst, kommst du in eine Unverstandsamkeit, und von der
Unverstandsamkeit kommst du in eine Tierheit; denn was an den Kreaturen unverständig
ist, das ist tierisch. Willst Du nicht tierisch werden, so verstehe nichts von
dem ungeworteten Gotte. »Ach, wie soll ich denn tun?« Du sollst ganz und gar
entsinken deiner Deinheit und sollst zerfliessen in seine Seinheit und es soll
dein Dein in seinem Mein ein Mein werden, so gänzlich, dass du mit ihm ewiglich
verstehst seine ungewordene Istigkeit und seine ungenannte Nichtheit.
Nun
spricht Sankt Paulus: »Ihr sollt erneuert werden am Geiste.« Wollen wir nun am
Geiste erneuert werden, so müssen die sechs Kräfte der Seele, sowohl die
obersten wie die untersten, jede einen goldenen Ring am Finger haben, vergoldet
mit dem Golde göttlicher Liebe. Nun achtet auf die niedersten Kräfte, es sind
ihrer drei. Die erste heisst Einsicht, rationale; an der sollst du einen
goldenen Ring haben, das ist das Licht, auf dass deine Einsicht zu allen Zeiten
ohne Zeit mit dem göttlichen Lichte erleuchtet sei. Die andere Kraft heisst die
Zürnerin, irascibilis; an der sollst du einen Ring haben, das ist dein Friede.
Warum? Darum: wenn in Frieden, dann in Gott; wenn aus Frieden, dann aus Gott.
Die dritte Kraft heisst Begehrung: concuspiscibilis; an der sollst du Genügsamkeit
haben, damit du dich mit allen Kreaturen, die unter Gott sind, begnügst; aber
mit Gott sollst du dich niemals begnügen, denn von Gott kannst du nie genug
haben: je mehr Gottes du hast, je mehr begehrst du seiner; denn könntest du
dich mit Gott begnügen, so dass Gott vom Genug betroffen würde, so wäre Gott
nicht Gott.
Du
musst auch an jeder von den obersten Kräften einen goldenen Ring haben. Der
obersten Kräfte gibt es auch drei. Die erste heisst eine behaltende Kraft,
memoria. Diese Kraft vergleicht man dem Vater in der Dreifaltigkeit. An der
sollst du einen goldenen Ring haben, nämlich ein Behalten, damit du alle ewigen
Dinge in dir behalten sollst. Die andere heisst Verstand, intellectus. Diese
Kraft vergleicht man dem Sohne. An der sollst du auch einen goldenen Ring haben,
nämlich Erkenntnis, damit du Gott zu allen Zeiten erkennen sollst. Und zwar
wie? Du sollst ihn erkennen ohne Bild, ohne Mittel und ohne Gleichnis. Soll ich
aber Gott so unmittelbar erkennen, so muss vollends ich er werden und er ich
werden. Ich sage mehr: Gott muss vollends ich werden, und ich vollends Gott, wie
völlig eins, dass dies Er und dies Ich ein Ich werden und sind, und in der
Istigkeit ewig ein Werk wirken; denn solange dies Er und dies Ich, das heisst
Gott und die Seele, nicht ein einziges Hier oder ein einziges Jetzt sind,
solange könnte dies Ich mit dem Er niemals zusammenwirken oder eins werden. Die
dritte Kraft heisst Wille, voluntas. Diese Kraft vergleicht man dem heiligen
Geiste. An der sollst du einen goldenen Ring haben, nämlich die Liebe, damit du
Gott lieben sollst. Du sollst Gott lieben ohne Liebheit, dass heisst nicht darum,
weil er liebevoll sei, denn Gott ist unliebevoll; er ist über aller Liebe und
Liebheit. »Wie soll ich denn Gott lieben?« Du sollst Gott nichtgeistlich
lieben, das heisst, deine Seele soll nichtgeistig sein und aller Geistigkeit
entkleidet; denn solange die Seele geistförmig ist, hat sie Bilder; solange sie
Bilder hat, hat sie nicht Einheit noch Eintracht; solange sie nicht Eintracht
hat, liebte sie Gott nicht recht, denn bei rechter Liebe kommt es auf die
Eintracht an. Darum soll deine Seele nichtgeistig sein, frei von allem, was
Geist ist, und soll geistlos dastehn; denn liebst du Gott, wie er Gott ist, wie
er Geist ist, wie er Person ist und wie er Bild ist, das muss alles hinab. »Wie
soll ich ihn denn lieben?« Du sollst ihn lieben wie er ist: ein Nichtgott, ein
Nichtgeist, eine Nichtperson, ein Nichtbild, sondern: wie er ein blosses, pures,
reines Eins ist, gesondert von aller Zweiheit, und in dem Einen sollen wir
ewiglich versinken von Nichts zu Nichts. Das walte Gott. Amen.
Es
sagen unsere Meister, alles was erkannt wird der geboren wird, ist ein Bild, und
sie sagen folgendes: Wenn der Vater seinen eingeborenen Sohn gebären soll, so
muss er sein in ihm selbst bleibendes Bild gebären, das Bild in dem Grunde, so
wie es von Ewigkeit in ihm gewesen ist, formae illius, das heisst seine ihm
selbst bleibende Form. Dies ist eine Naturlehre, und es dünkt mich recht
unbillig, dass man Gott mit Gleichnissen, mit diesem oder jenem, aufzeigen muss.
Dennoch ist er weder dies noch jenes, und damit begnügt sich der Vater nicht,
sondern er zieht sich zurück in die Erstheit, in das Innerste, in den Grund und
in den Kern der Vaterschaft, wo er ewig drinnen gewesen ist, in sich selbst in
der Vaterschaft und wo er sich selbst verzehrt als Vater seiner selbst in dem
einig Einen. Hier sind alle Grasblättlein und Holz und Stein und alle Dinge
eins. Dies ist das Allerbeste und ich habe mich ganz darein vernarrt. Darum fügt
die Natur alles was sie leisten kann da hinein, das stürzt alles in die
Vaterschaft, auf dass sie eins und ein Sohn sei und all dem andern entwachsen
und allein in der Vaterschaft sei, und dass sie, wenn sie nicht darein sein könne,
doch wenigstens ein Gleichnis des Einen sei. Die Natur, die von Gott ist, sucht
nichts, was ausserhalb von ihr ist, ja, die Natur, wie sie in sich ist, hat
nichts mit der Farbe zu tun, denn die Natur, die von Gott ist, die sucht nichts
anderes als Gottes Gleiches.
Ich
überlegte mir heute Nacht, dass nur Gleiches aufeinander wirken kann. Ich kann
kein Ding sehen, das mir nicht gleich ist, und ich kann kein Ding erkennen, das
mir nicht gleich ist. Gott trägt alle Dinge verborgen in sich selbst, aber
nicht in dies der das unterschieden, sondern eins in Einheit Das Auge hat auch
Farbe in sich, das Auge empfängt die Farbe, und das Ohr nicht. Das Ohr empfängt
das Getön und die Zunge den Geschmack. Es hat jedes das, mit dem es eins ist.
Demnach hat das Bild der Seele und Gottes Bild ein Wesen: da wir Gottes Kinder
sind. Und selbst wenn ich weder Augen noch Ohren hätte, so hätte ich doch noch
das Wesen. Ich habe öfters gesagt: die Schale muss zerbrechen, und was darinnen
ist, muss herauskommen: denn willst du den Kern haben, so musst du die Schale
zerbrechen. Und wenn du daher die Natur nackt finden willst, so müssen die
Gleichnisse alle zerbrechen, und je weiter man hineintritt, um so näher ist man
dem Wesen.
Vor
ein paar Jahren war ich nichts; nicht lange nachher ass mein Vater und meine
Mutter Fleisch und Brot und Kraut, das im Garten wuchs, und davon bin ich ein
Mensch. Das konnte mein Vater oder meine Mutter nicht bewirken, sondern Gott
machte meinen Körper unmittelbar und schuf meine Seele nach dem Allerhöchsten.
Demnach besass ich mein Leben selbst (possedi me). Dies Korn zielt auf den
Roggen ab, dem wieder liegt es in der Natur, dass er Weizen werden kann, darum
ruht er nicht, bis er eben diese Natur erreicht. Dies Weizenkorn hat es in der
Natur, dass es alle Dinge werden kann, darum geht es in sich und begibt sich in
den Tod, auf dass es alle Dinge werde. Und dies Erz ist Kupfer, das hat in
seiner Natur, dass es Gold werden kann, darum ruht es nicht, bis es eben diese
Natur erreicht. Ja dies Holz hat in seiner Natur, dass es ein Stein werden kann;
ich sage noch mehr, es kann wohl alle Dinge werden, es löst sich in ein Feuer
und lässt sich verbrennen, damit es in die Feuernatur verwandelt werde, und es
wird eins dem Einen und hat ewig dieselbe Natur. Ja, Holz und Stein und Bein und
alle Grashalme haben allesamt ein Wesen in der Erstheit. Und tut diese Natur
das, was tut dann erst die Natur, die da so nackt in sich selbst ist, die da
weder dies noch das sucht, sondern sie entwächst allem Anderssein und läuft
alleins zur reinen Erstheit.
Praedica
verbum. Man liest ein Wörtlein von meinem Herrn Sankt Dominicus, und Sankt
Paulus schreibt es, und es heisst zu deutsch also: »Sprich es heraus, sprich es
hervor, bring es hervor, und gebier das Wort.« Es ist eine wunderliche Sache,
dass ein Ding ausfliesst und doch innen bleibt. Dass das Wort ausfliesst und
doch innen bleibt, das ist gar wunderbar; dass alle Kreaturen ausfliessen und
doch innen bleiben, das ist gar wunderbar; dass Gott gegeben hat und dass Gott
gelobt hat zu geben, das ist gar wunderbar und ist unbegreiflich und
unglaublich. Und das ist
recht, und wäre es begreiflich und glaublich, so wäre es nicht recht.
Gott ist in allen Dingen. Je mehr er in den Dingen ist, je mehr ist er aus den
Dingen; je mehr er innen, je mehr er aussen ist. Ich
habe es schon öfters gesagt, dass Gott all diese Welt jetzt ganz und gar
erschafft. Alles was Gott je vor sechstausend Jahren und mehr schuf, als Gott
die Welt machte, das schafft Gott jetzt zumal. Gott ist in allen Dingen, aber
insofern Gott göttlich ist und insofern Gott vernünftig ist, ist Gott nirgends
so eigentlich wie in der Seele [und in dem Engel, wenn du willst], in dem
Innersten der Seele und in dem Höchsten der Seele. Wo die Zeit nie hinkam, wo
nie ein Bild hineinleuchtete, im Innersten und im Höchsten der Seele erschafft
Gott die ganze Welt. Alles was vergangen ist und alles was künftig ist, das
schafft Gott im Innersten der Seele.
Der
Prophet spricht: »Gott sprach eines und ich hörte zwei.« Das ist wahr: Gott
sprach nie mehr als eines. Sein Spruch ist nur einer. In diesem Spruch spricht
er seinen Sohn und den heiligen Geist und alle Kreaturen, und es ist nichts als
ein Spruch in Gott.
Aber der Prophet spricht: »ich hörte zwei.« Das heisst:
ich nahm Gott und Kreaturen wahr. Wo es Gott spricht, da ist es Gott; aber hier
ist es Kreatur. Die Leute glauben, Gott sei da und da Mensch geworden. Dem ist
nicht so, denn Gott ist hier ebensogut Mensch geworden wie dort, und um und um
ist er Mesch geworden, dass er dich als seinen eingeborenen Sohn gebäre, nicht
weniger und nicht mehr. Ich sprach gestern ein Wörtlein, das steht im
Paternoster und heisst: »Dein Wille werde.« Es wäre sogar besser ausgedrückt,
dass sein Wille werde, als dass ich sage:mein Wille werde zu seinem. Dass ich es
werde, das meint das Paternoster. Das Wort hat zweierlei Sinn.
Erstens: Sei für alle Dinge ein Schlafender, das heisst,
du sollst weder um Zeit noch um Kreaturen noch um Bilder wissen. Die Meister
sagen: Wenn ein Mensch recht schliefe, und schliefe er hundert Jahr, er wüsste
um keine Kreatur, er wüsste nichts von Zeit noch von Bild; und dennoch kannst
du wahrnehmen, dass Gott in dir wirkt. Darum spricht die Seele im Buch der
Liebe: »Ich schlafe und mein Herr wacht.« Darum kannst du, wenn alle Kreaturen
in dir schlafen, wahrnehmen, was Gott in dir wirkt.
Er
spricht zweitens ein Wort: Arbeite in allen Dingen; das hat dreierlei Sinn in
sich. Es heisst so viel wie: Schaff deinen Nutzen in allen Dingen, denn Gott ist
in allen Dingen. Sankt Augustin spricht: Gott hat alle Dinge erschaffen, nicht
dass er sie werden liesse und dann seines Weges ginge, sondern er ist in ihnen
geblieben. Die Leute wähnen, sie hätten mehr, wenn sie die Dinge mit Gott
haben, als wenn sie Gott ohne die Dinge hätten. Aber das ist falsch, denn alle
Dinge mit Gott ist nicht mehr als Gott allein, und wer glaubte, wenn er den Sohn
und den Vater zugleich hätte, hätte er mehr als wenn er den Sohn ohne den
Vater hätte, der wäre im Irrtum. Darum nimm Gott in allen Dingen, und das ist
ein Zeichen, dass er dich als seinen eingeborenen Sohn geboren hat, nicht
weniger und nicht mehr.
Der
zweite Sinn ist: Schaff deinen Nutzen in allen Dingen, das heisst: liebe Gott über
allen Dingen und deinen Nächsten wie dich selbst. Und liebst du hundert Pfund
mehr bei dir als bei einem andern, das ist unrecht. Hast du einen Menschen
lieber als einen andern, das ist unrecht; und hast du deinen Vater und deine
Mutter und dich selbst lieber als einen andern, es ist unrecht; und hast du die
Seligkeit lieber in dir als in einem andern, so ist es unrecht. »Gott schütze!
Was sagt ihr? Soll ich die Seligkeit nicht in mir lieber haben als in einem
andern?« Es gibt viele Gelehrte, die das nicht begreifen, und es dünkt sie gar
schwer. Aber es ist nicht schwer, es ist ganz leicht. Ich will dir zeigen, dass
es nicht schwer ist. Seht, die Natur hat zweierlei Absicht, was jedes Glied am
Menschen wirken soll. Die erste Absicht, die seine Werke ins Auge fasst, ist,
dass es dem Körper vor allem diene und danach einem jeden Gliede genau so wie
sich selbst, und nicht weniger als sich selbst, und es beachtet sich selbst
nicht mehr in seinen Werken als ein anderes Glied. Es
soll vielmehr hilfreich sein. Gott soll eine Regel deiner Liebe sein. Die
zweite Meinung: deine Liebe soll nur an Gott hängen und darum liebe deinen Nächsten
wie dich selbst und nicht minder als dich selbst. Liebst du die Seligkeit in
Sankt Peter und in Sankt Paul wie in dir selbst, so besitzest du dieselbe
Seligkeit, die auch sie haben.
Also
das Wort: schaff deinen Nutzen in allen Dingen, das heisst: liebe Gott
ebensogern in Armut wie in Reichtum, und habe ihn so lieb in der Krankheit wie
in der Gesundheit, habe ihn so lieb in Prüfungen und so lieb in Leiden wie ohne
Leiden. Ja, je grössre Leiden, je geringre Leiden, wie zwei Eimer: je schwerer
einer, je leichter der andre, und je mehr der Mensch gibt, um so leichter ist
ihm zu geben. Einem Menschen, der Gott liebt, wäre ebenso leicht alle Welt zu
schenken, wie ein Ei. Je mehr er gibt, je leichter ist ihm zu geben, wie die
Apostel: je schwerere Leiden sie hatten, je leichter litten sie es.
Das
dritte: arbeite in allen Dingen, das heisst: wo du dich in mannigfaltigen Dingen
befindest und anders als in einem blossen reinen einfachen Wesen, dass lass dir
eine Arbeit sein; das heisst: Arbeit in allen Dingen füllet deinen Dienst. Das
heisst so viel wie: heb auf dein Haupt. Das hat zweierlei Sinn. Der erste ist:
leg ab alles was dein ist und gib dich Gott zu eigen; so wird Gott dein eigen,
wie er sein selbst eigen ist, und er ist dir Gott, wie er sich selbst Gott ist,
und nicht weniger. Was mein ist, das habe ich von niemand. Habe ich es aber von
einem andern, so ist es nicht mein, sondern des andern, von dem ich es habe.
Der zweite Sinn ist: heb auf dein Haupt, das heisst: richte
alle deine Werke auf Gott. Es sind viele Leute, die das nicht begreifen, und das
dünkt mich nicht wunderbar: denn der Mensch, der dies begreifen soll, der muss
sehr abgeschieden sein und erhoben über all diese Dinge. Dass wir zu dieser
Vollkommenheit kommen, das walte Gott. Amen.
Man
lieset von den heiligen Märtyrern, deren man heute gedenkt, dass sie durch das
Schwert gestorben sind. Unser Herr sprach zu seinen Jüngern: »Selig seid ihr,
so ihr etwas leidet um meines Namens willen.« Nun sagt die Schrift von diesen
ärtyrern, dass sie um Christi Namen willen den Tod gelitten haben und durch das
Schwert umgebracht worden sind.
Hier
sollen wir drei Dinge merken. Das erste, dass sie tot sind. Was man in dieser
Welt leidet, das endet. Sankt Augustin spricht: Alle Pein und alle Werke der
Pein, das nimmt alles ein Ende, und der Lohn ist ewig. Das zweite, das wir
betrachten sollen, dass dies ganze Leben tödlich ist, dass wir alle Pein und
alle Mühsal, die uns zustösst, nicht fürchten sollen, denn es nimmt ein Ende.
Das dritte, dass wir uns erhalten, als wären wir tot, dass uns nichts trübe,
nicht Freude noch Leid noch alle Qual. Es sagt ein Meister: Den Himmel kann
nichts berühren. Das meint, der Mensch ist ein himmlischer Mensch, dem alle
Dinge nicht so viel sind, dass sie ihn berühren können. Es sagt ein Meister:
Da doch alle Kreaturen so erbärmlich sind, woher kommt es denn, dass sie den
Menschen so leicht von Gott abwenden? Die Seele ist doch in ihrem Erbärmlichsten
besser als der Himmel und alle Kreaturen? Es antwortet ein Meister: es kommt
davon, dass er Gottes nicht so achtet wie er sollte.
Täte er das, es wäre fast unmöglich, dass er je abfiele.
Und es ist nur eine gute Lehre, dass sich der Mensch in dieser Welt so halten
soll, als ob er tot wäre. Sankt Gregorius sagt, niemand habe so viel Gott, als
der, der im Grunde tot sei.
Die
vierte Lehre ist die allerbeste. Er sagt, dass sie tot sind. Der Tod gibt ihnen
ein Wesen. Es sagt ein Meister: Die Natur zerbricht nie, ohne dass sie ein
Besseres dafür gibt. Wenn das die Natur tut, wie viel mehr tut es Gott: der
zerbricht niemals, dass er nicht ein Besseres gäbe. Die Märtyrer sind tot, sie
haben ein Leben verloren und haben ein Wesen empfangen. Ich bin gewiss, erkennte
eine Seele das geringste, was Wesen hat, sie wollte sich keinen Augenblick davon
abkehren. Das Erbärmlichste, was man in Gott erkennt, wie wenn einer eine Blume
verstünde, so wie sie ein Wesen in Gott hat, das stünde höher als die ganze
Welt. Das Erbärmlichste, das in Gott ist wie es Wesen ist, ist besser als wenn
einer einen Engel erkennte. Und dies sollte der Mensch leidenschaftlich begehren
und betrachten, dass das Wesen so hoch steht. Wir preisen den Tod in Gott, auf
dass er uns in ein Wesen wandle, das besser ist als ein Leben; ein Wesen, darin
unser Wesen lebt, wo unser Leben ein Wesen wird.
Der
Mensch soll sich willig in den Tod ergeben und sterben, damit ihm ein besseres
Leben werde. Es muss ein gar kräftiges Leben sein, in dem tote Dinge lebendig
werden, in dem selbst der Tod ein Leben wird. Bei Gott stirbt nichts: alle Dinge
werden in ihm lebendig. Sie sind tot (spricht die Schrift von den Märtyrern)
und sind in ein ewiges Leben versetzt, in das Leben, wo das Leben ein Wesen ist.
Man soll im Grunde tot sein, dass uns nicht Freude noch Leid berühre. Wir
bitten drum unsern lieben Herrgott, er möge uns helfen aus einem Leben, das
geteilt ist, in ein Leben, das eins geworden ist. Das walte Gott. Amen.
Was
ist Gott und was ist der Tempel Gottes? Vierundzwanzig Meister kamen zusammen
und wollten sagen, was Gott sei, und konnten es nicht. Hernach kamen sie zu
geeigneter Zeit wieder und jeder von ihnen brachte seinen Spruch mit, von denen
nehme ich jetzt zwei oder drei. Der eine sprach: Gott ist etwas, gegen den alle
wandelbaren und zeitlichen Dinge nichts sind, und alles was Wesen hat, ist von
ihm und ist gegen ihn klein. Der zweite sprach: Gott ist etwas, das da über
Wesen ist und das in sich selbst niemandes bedarf und dessen alle Dinge bedürfen.
Der dritte sprach: Gott ist eine Vernünftigkeit, die sich selbst erkennen will.
Ich
lasse das erste und das dritte und spreche von dem zweiten, dass Gott etwas ist,
das notwendig über Wesen sein muss. Was Wesen hat, Zeit oder Raum, das gehört
nicht zu Gott, er ist über dasselbe; was er in allen Kreaturen ist, das ist er
doch darüber; was da in vielen Dingen eins ist, das muss notwendig über den
Dingen sein. Einige Meister wollten, die Seele wäre allein im Herzen. Dem ist
nicht so, und darin haben grosse Meister geirrt. Die Seele ist ebensogut ganz
und ungeteilt im Fuss und im Auge. Nehme ich ein Stück von der Zeit, so ist es
weder der Tag heute noch der Tag gestern. Nehme ich aber ein Nu, das begreift
alle Zeit in sich. Das Nu, worin Gott die Welt machte, ist dieser Zeit ebenso
nahe, wie das Nu, worin ich eben spreche, und der jüngste Tag ist diesem Nu so
nahe wie der Tag gestern war.
Ein
Meister sagt: Gott ist etwas, das in Ewigkeit ungeteilt in sich selbst wirkt,
das niemandes Hilfe und keines Werkzeuges bedarf, und das in sich selbst bleibt,
das nichts bedarf und dessen alle Dinge bedürfen und nach dem alle Dinge
trachten als in ihr letztes Ende. Dies Ende hat keine Weise, es entwächst der
Weise und geht in die Weite. Sankt Bernhard sagt: Gott lieben, das ist weise
ohne Weise. Kein Ding kann über sein Wesen wirken. Gott aber wirkt über Wesen
in der Weite, wo er sich rühren kann, er wirkt in Unwesen Wesen; ehe ein Wesen
war, wirkte Gott.
Grosse Meister sagen, Gott sei ein absolutes Wesen; er ist
hoch über Wesen, wie der oberste Engel über einer Mücke. Und ich sage, es ist
ebenso unrecht, Gott ein Wesen zu heissen, als ob ich die Sonne bleich oder
schwarz hiesse. Gott ist weder dies noch das. Und es sagt ein Heiliger: Wenn
einer wähnt, er habe Gott erkannt - wenn er etwas erkannt hat, so hater etwas
erkannt und hat also nicht Gott erkannt.
Kleine
Meister lesen in der Schule, alle Wesen seien auf zweierlei Weise geteilt, und
diese Weisen sprechen sie Gott völlig ab. Von diesen Weisen berührt Gott keine
und er entbehrt auch keine. Die erste, die am allermeisten Wesen hat, worin alle
Dinge Wesen annehmen, ist die Substanz, und das letzte, was am wenigsten Wesen
in sich trägt, heisst relatio, das ist in Gott gleich dem allergrössten, das
am allermeisten Wesen hat; sie haben ein gleiches Bild in Gott. In Gott sind
aller Dinge Bilder gleich; aber sie sind ungleich dem Bild der Dinge. Der höchste
Engel und die Seele und die Mücke haben ein gleiches Bild in Gott. Gott ist
nicht Wesen noch Güte. Güte klebt an Wesen und ist nicht breiter als Wesen,
denn wäre nicht Wesen, so wäre nicht Güte, und Wesen ist noch reiner als Güte.
In Gott ist weder Güte noch Besseres noch Allerbestes. Wer sagte, dass Gott gut
sei, der täte ihm ebenso unrecht, als wer die Sonne schwarz hiesse. Nun spricht
doch Gott: niemand ist gut als Gott allein. Was ist gut? Was sich dem
Allgemeinen mitteilt. Den heissen sie einen guten Menschen, der gemeinnützig
ist. Darum sagt ein heidnischer Meister, ein Einsiedler sei weder gut noch böse
(dem Sinne nach), weil er der Gemeinschaft und den Leuten nicht nützlich sei.
Gott ist das allgemeinste. Kein Ding teilt von dem Seinen mit, weil alle
Kreaturen an sich selbst nichts sind. Was sie mitteilen, das haben sie von einem
andern. Sie geben sich auch nicht selbst. Die Sonne gibt ihren Schein und bleibt
doch dastehen, das Feuer gibt seine Hitze und bleibt doch Feuer; aber Gott teilt
das Seine mit, weil er an sich selber ist, was er ist, und in allen den Gaben,
die er gibt, gibt er sich selbst immer am ersten. Er gibt sich als Gott wie er
ist in allen seinen Gaben, sofern es an ihm ist, dass einer ihn empfangen könnte.
Wenn
wir Gott im Wesen nehmen, so nehmen wir ihn in seiner Vorburg; denn Wesen ist
seine Vorburg, worin er wohnt. Wo ist er denn in seinem Tempel? Dies ist die
Vernünftigkeit, wo er heilig erglänzt, wie der andere Meister sagte, dass Gott
eine Vernunft ist, die in ihrer Erkenntnis allein lebt und in sich selbst allein
bleibt, und da hat ihn nie etwas berührt, denn er ist da allein in seiner
Stille. Gott in seiner Selbsterkenntnis erkennt sich selbst in sich selbst.
Gott
ist die Liebe, und wer in der Liebe wohnt, der wohnt in Gott und Gott in ihm.
Gott wohnt in der Seele mit allem dem, was er ist, und alle Kreatur. Darum: wo
die Seele ist, da ist Gott, denn die Seele ist in Gott Darum ist auch die Seele,
wo Gott ist, es sei denn, dass die Schrift lüge. Wo
meine Seele ist, da ist Gott, und wo Gott ist, da ist auch meine Seele, und das
ist so wahr als Gott Gott ist.
Nicht allein von Natur, sondern über Natur freut sich meine Seele aller
Freude und aller Seligkeit, deren sich Gott selber freut in seiner göttlichen
Natur, es sei Gott lieb oder leid, denn deren ist nur eines, und wo eins ist, da
ist alles, und wo alles ist, da ist eins. Das ist eine sichere Wahrheit
Wo die Seele ist, da ist Gott, und wo Gott ist, da ist die Seele. Und
sagte ich, dass es nicht so sei, so spräche ich unrecht.
Fürwahr, nun achtet auf ein Wörtlein, das halte ich gar wert, denn ich gedenke dessen, wie eins er mir ist, als ob er aller Kreatur vergessen habe und nicht mehr sei als ich allein. Nun bittet für die, die mir empfohlen sind! Die da um ein Teil Gottes oder um Gott bitten, die bitten unrecht; wenn ich um nichts bitte, so bitte ich recht, und das Gebet ist recht und ist kräftig. Wer irgend etwas anderes bittet, der betet einen Abgott an, und man könnte sagen, es wäre lauter Ketzerei. Ich bitte nie so wohl als wenn ich um nichts bitte und für niemand, weder für Heinrich noch für Konrad. Die wahren Anbeter beten Gott in der Wahrheit an und im Geist [nämlich im heiligen Geist]; was Gott in der Kraft ist, das sind wir im Bilde. Da erkennen wir wie wir erkannt sind, und lieben wie wir geliebt sind. Das ist auch ohne Werk, denn die Seele ist da eins mit dem Bilde und wirkt in der Kraft als Kraft; sie ist auch eins mit den Personen und besteht im Vermögen des Vaters und in der Weisheit des Sohnes und in der Güte des heiligen Geistes. Dies ist alles noch Werk in den Personen; das Wesen darüber aber ist ohne Werk, sondern da ist alles eins, Wesen und Werk, wo sie in Gott ist, ja wo die Personen in das Wesen hineinreichen, da ist Werk und Wesen eins, da liebt sie die Personen, sofern sie im Wesen innen bleiben und nie herauskommen, da ist ein reines wesenhaftes Bild, es ist die wesenhafte Vernünftigkeit Gottes, der die reine Kraft des Lebendigen ist, intellectus, was die Meister ein Vernehmendes nennen. Nun passt wohl auf. Darum liebt sie erst das reine absolucio des freien Wesens, das ohne Ort ist, das nicht liebt und nicht gibt, es ist die blosse Istigkeit, die alles Wesens und aller Istigkeit beraubt ist. Da liebt sie Gott bloss nach dem Grunde, da wo er ist, über alle Wesen. Wäre da noch Wesen, so nähme sie Wesen in Wesen; es ist da nichts als ein Grund. Dies ist die höchste Vollkommenheit des Geistes, wozu man in diesem Leben in der Art des Geistes kommen kann. Aber das ist nicht die höchste Vollkommenheit, die wir jemals mit Leib und Seele erreichen sollen, dass der gequälte Mensch allzumal in dieser Unterkunft festgehalten werde, ein persönliches Wesen habe - sowie die Menschheit und die Gottheit Christi ein persönliches Wesen ist – dass ich nun darin Unterkunft habe, dass ich das persönliche Wesen selber sei allzumal in meinem Selbstbewusstsein verharrend - wo ich doch in der Art des Geistes, in dem Grunde, eins bin, so wie der Grund selbst ein Grund ist - und dass ich hinwiederum in meinem äusseren Wesen dasselbe persönliche Wesen sei, das seines Selbstbewusstseins völlig beraubt sei: dieses persönliche Wesen, MenschGott, entwächst vielmehr und schwebt über den äusseren Menschen hinaus, so weit, dass er ihm nicht mehr folgen kann. Bleibt er in sich selbst stehen, so empfängt er wohl den Einfluss der Gnade von dem persönlichen Wesen in mancherlei Weise, Süssigkeit, Trost und Innigkeit, und das ist gut, aber es ist nicht das Höchste. Bleibt er also
in sich selbst in der Unterkunft seiner selbst, so empfängt er wohl Trost aus
Gnade und mit der Wirkung der
Gnade, aber das ist nicht sein Bestes; dann müsste der innere Mensch sich nach
Geistesart aus dem Grunde, in dem er eins ist, herausbiegen und müsste sich dem
gnadenhaften Wesen zuwenden, von dem er Gnade empfängt. Darum kann der Geist so
niemals vollkommen werden, Leib und Seele werden vollendet, wenn der innere
Mensch in der Art des Geistes seinem eigenen Wesen entrinnt, dahin, wo er im
Grunde ein Grund ist; und ebenso muss auch der äussere Mensch der eigenen
Unterkunft beraubt werden und allzumal in dem ewigen persönlichen Wesen
aufgehen, das ein und dasselbe persönliche Wesen ist. Nun sind hier zwei Wesen.
Das eine Wesen ist in der Gottheit das blosse substanzliche Wesen; das andere
das persönliche Wesen, und ist doch ein Untergrund: denn derselbe Untergrund,
Christi Persönlichkeit, ist auch der Untergrund der Seele, die Stätte des
ewigen Menschtums, und diese Unterkunft ist ein Christus, das leiblich Seiende
wie das Selbstbewusstsein der Person. Daher wollen wir auch eben dieser Christus
sein, damit wir ihm in den Werken nachfolgen, wie er in dem Wesen ein Christus
in menschlicher Art ist; denn da ich mit meinem Menschtum dieselbe Art bin, so
bin ich mit dem persönlichen Wesen dergestalt vereinigt, dass ich aus Gnade in
dem persönlichen Wesen eins und das persönliche Wesen selber bin, denn Gott
bleibt ewiglich im Grunde des Vaters und ich in ihm, ein Grund und ein und
derselbe Christus, eine Stätte meines Menschtums; es ist ebensosehr mein wie
sein in einer Verkörperung des ewigen Wortes, auf dass beide Wesen, Leib und
Seele, in einem Christus vollendet werden, ein Gott, ein Sohn. Dass uns das
geschehe, das walte Gott.
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