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Aristoteles: MetaphysikDas Absolute
1. Die Prinzipien der sinnlichen
Substanzen
Den Gegenstand unserer Betrachtung bildet der Begriff der Substanz als des selbständigen Seins. Die Prinzipien und Gründe der Substanzen sind es, die wir erforschen wollen. Ist das All als geschlossenes Ganzes zu fassen, so ist das substantiell Existierende sein wichtigster Bestandteil; sehen wir auf die Reihenfolge der einzelnen Bestimmungen am Seienden, so käme auch so die Substanz zuerst, und erst nach ihr die Qualität und weiter die Quantität usw. Denn diese alle machen nicht das Seiende in strengem
Sinne aus; sie sind nur Beschaffenheiten und Bewegungen am Seienden, fast wie
das Nicht-Weiße und das Nicht-Gerade auch. Ein Sein schreiben wir wenigstens
irgendwie auch diesem zu; wir sagen z.B.: etwas ist nicht weiß. Keine der
anderen Bestimmungen hat ein selbständiges Sein. Dafür zeugen denn tatsächlich
auch die Ansichten der alten Denker. Auch sie suchten die Prinzipien, die
Elemente und Gründe der Substanz zu erforschen. Und was die Heutigen anbetrifft,
so sehen sie als die eigentlichen Substanzen das Allgemeine an; denn die
Gattungen, die sie, weil sie alles auf Begriffe zurückführen, als die
eigentlichen Substanzen bezeichnen, tragen den Charakter des Allgemeinen, während
die Früheren sich an einzelnen Gebilden, wie Feuer und Erde, genügen ließen,
ohne zur Körperlichkeit als dem Allgemeinen vorzudringen.
Das substantiell Seiende nun ist dreifacher Art. Erstens ist es das Sinnliche, was alle anerkennen, und zwar dieses teils als Vergängliches, wie Pflanzen und Tiere, teils als Ewiges. Das Sinnliche gilt es auf seine Elemente, sei es auf eines oder auf mehrere, zurückzuführen. Sodann das Unbewegte. Dieses bezeichnen manche als für sich
bestehend, die einen, indem sie es in zwei Arten unterscheiden, in Ideen und mathematische
Objekte, die anderen, indem sie diese beiden als eine Wesenheit fassen, noch
andere, indem sie darunter ausschließlich die mathematischen Objekte festhalten.
Die sinnlichen Substanzen gehören der Naturwissenschaft an, denn ihnen kommt
Bewegung zu; die unbewegte Substanz dagegen ist Gegenstand einer anderen
Wissenschaft, sofern es für beide keinerlei gemeinsames Prinzip gibt.
Die
sinnliche Substanz ist der Veränderung unterworfen. Nun vollzieht sich die Veränderung
so, daß etwas aus seinem Gegenteil oder aus einem Mittleren wird; wird es aber
aus dem Gegenteil, so wird es doch nicht aus jedem beliebigen anderen - denn dem
Weißen steht als ein anderes auch der Ton gegenüber -, sondern aus dem gerade
ihm Entgegengesetzten. Da nun die Gegensätze doch nicht selbst in einander
übergehen,
so muß es notwendig noch etwas Weiteres geben, was der Veränderung in das
Entgegengesetzte als Substrat dient. Dieses eine beharrt, während die Gegensätze
nicht beharren, und es gibt somit ein drittes zu den Gegensätzen: das ist die
Materie.
Die Veränderung nun ist vierfach: sie ist Veränderung des Wesens, oder der Beschaffenheit, oder der Quantität, oder des Ortes; sie heißt Entstehen und Vergehen in bezug auf das Wesen, Zunahme und Abnahme in bezug auf die Quantität, Veränderung in bezug auf die Qualität, Bewegung in bezug auf den Ort. Die Veränderung also findet statt in das jedesmalige bestimmte Gegenteil, und die Materie, die die Möglichkeit des einen wie seines Gegenteils enthält, muß sich in dieser bestimmten Richtung verändern. Wie nun das Seiende selbst ein zwiefaches ist, ein potentielles und ein aktuelles, so wandelt sich alles aus dem der Möglichkeit nach Seienden in das der Wirklichkeit nach Seiende; z.B. aus dem der Möglichkeit nach Weißen in das der Wirklichkeit nach Weiße. Ebenso ist es mit der Zu- und Abnahme. Man darf also sagen, daß jegliches aus einem Nicht-Seienden wird, das nur tatsächlich noch nicht das ist, was es wird, aber auch, daß alles wird aus einem Seienden, und zwar aus einem der Möglichkeit nach Seienden, der Wirklichkeit nach nicht Seienden. Dies Potentielle ist es offenbar, was Anaxagoras mit
seinem »Einen« gemeint hat, zutreffender so statt »chaotisches Durcheinander«
benannt, oder was Empedokles als »Mischung«, und ebenso was Anaximander
bezeichnet, und was Demokrit meint. »Es war alles durcheinander«, das heißt
doch: es war der Möglichkeit nach, nicht der Wirklichkeit nach, und damit haben
sie, darf man wohl sagen, den Gedanken der Materie wenigstens gestreift.
Alles
dasjenige, dem Veränderung zukommt, ist mit Materie behaftet; aber die eine Art
der Veränderung hat diese, die andere eine andere Materie.
Die
ewigen Körper, sofern sie nicht entstanden, aber räumlich bewegt sind, haben
auch eine Materie, aber eine Materie nicht für das Entstehen, sondern nur für
das Woher und Wohin. Daher ist jedesmal die Frage, was denn das nun für ein
Nichtseiendes ist, aus dem etwas wird; denn von Nichtseiendem spricht man in
dreifacher Bedeutung: [es ist das Nicht-seiende schlechthin, sodann der falsche
Schein und endlich die bloße Möglichkeit, das Noch-nicht-sein.] Wenn dies
Nichtseiende, aus dem offenbar alles Werden kommt, etwas nur der Möglichkeit
nach Seiendes ist, so wird gleichwohl jegliches nicht aus einem beliebigen,
sondern aus dem gerade ihm zugehörigen Nichtseienden. Und es genügt nicht, als
Ausgangspunkt ein chaotisches Durcheinander anzunehmen und außerdem eine
Ursache der Sonderung zu setzen. Denn was verschieden ist, fordert auch eine
verschiedene Materie. Wie wäre es sonst zu erklären, daß unendlich vieles
geworden ist, und nicht bloß eines? Die Vernunft ist eine; wäre also auch die
Materie nur eine, so würde das wirklich geworden sein, was die Materie der Möglichkeit
nach war, und das wäre wieder eines.
Drei also an Zahl sind die Gründe und drei die
Prinzipien; zwei bilden den Gegensatz, dessen eines Glied Begriff und Form,
dessen anderes Glied die Privation, die Begriffs- und Formlosigkeit, ausmacht:
das dritte ist dann die Materie.
Daran
ist anzuknüpfen der Satz, daß dasjenige was wird weder die Materie noch die
Form ist, beides in seinem strengen Sinne genommen. Denn wo Veränderung ist, da
ist ein Substrat, an dem, eine Ursache, durch die, und ein Ziel, zu dem hin sie
geschieht. Die Ursache, durch die sie geschieht, ist das erste Bewegende; das
Substrat ist die Materie, das Ziel ist die Form. Der Prozeß nun würde ins
Unendliche verlaufen, wenn das Werden nicht bloß ein Werden der ehernen Kugel
wäre,
sondern auch ein Werden des Runden und ein Werden des Erzes. Es ist darum
geboten, einen Halt zu setzen, bei dem der Fortgang aufhört.
Und
weiter: jedes Wesen entsteht aus einem anderen von gleicher Art. Solche Wesen
sind zunächst die Naturgebilde, aber auch die anderen. Ein Wesen entsteht durch
Natur oder durch Kunst, durch Zufall oder von Ungefähr. Kunst ist die Ursache
da, wo das Prinzip außer der Sache, Natur, wo es in der Sache selbst liegt, -
was den Menschen zeugt, ist wieder ein Mensch; - die anderen beiden Ursachen
verhalten sich zu diesen als ihre Privationen. Die Wesenheiten aber sind drei an
der Zahl: erstens die Materie, die allerdings, sowie sie zur Erscheinung kommt,
schon etwas Bestimmtes ist; denn Materie und Substrat heißt etwas schon sofern
es durch bloßes Nebeneinander und nicht durch innere Vereinigung eines ist;
zweitens die innere Anlage und die Bestimmtheit, das Ziel der Veränderung, und
die stehende Beschaffenheit; sodann drittens die Verbindung beider in einem
Einzelwesen wie Sokrates oder Kallias.
Nun
gibt es solches, wo die bestimmte Form nicht neben dieser zusammengesetzten
Substanz noch für sich existiert, etwa als eine Form des Hauses neben dem Hause
selbst; man müßte denn die Kunst selber für solche Form nehmen wollen. Für
derlei Formen gibt es weder ein Entstehen noch ein Vergehen; aber in anderem
Sinne hat ein Haus, ohne Materie gedacht, und die Gesundheit, wie alles, was dem
Gebiete der Kunst angehört, doch auch sein Sein oder Nichtsein, nämlich als
rein Ideelles. Wenn irgendwo die Form für sich besteht, dann ist es im Gebiete
der Natur der Fall. So ist
denn auch die Ansicht Platos an sich gar nicht so unbegründet, wenn er annimmt,
daß es Ideen gibt, soweit es Naturgebilde gibt, vorausgesetzt allerdings, daß
man überhaupt Ideen annehmen darf. Für solche Dinge wie Feuer, Fleisch
oder Kopf darf man es in keinem Fall; denn alles dies ist Materie, und zwar
letzte Materie von dem was Substanz im höchsten Sinne ist.
Die
bewegenden Ursachen nun sind dies als dem zu Bewegenden vorausgehend, während
die begrifflichen Ursachen mit demselben gleichzeitig sind. Denn wenn ein Mensch
gesund ist, dann ist auch die Gesundheit da, und die Gestalt der ehernen Kugel
ist mit der ehernen Kugel gleichzeitig. Fraglich ist nur, ob diese Formen
nachher fortdauern. Es gibt Gegenstände, wo nichts eine solche Annahme hindert,
wie z.B. wenn es sich um die Seele handelt; freilich ist es nicht die ganze
Seele, aber doch der denkende Geist, was dabei in Betracht kommt. Denn daß die
Seele ganz und gar fortdauern sollte, ist doch wohl undenkbar. Sicher ist
jedenfalls dies, daß nichts dazu zwingt, bloß deshalb Ideen anzunehmen, weil
etwas wird und entsteht. Denn was den Menschen zeugt, ist ein Mensch, ein
Individuum einen einzelnen. Und auf dem Gebiete der Kunst ist es gerade so; die
Kunst des Arztes ist die erzeugende Form der Gesundheit.
Die
Ursachen und Prinzipien sind nun in der einen Bedeutung für verschiedene
Gegenstände verschieden; in der anderen Bedeutung, nämlich wenn man das
Allgemeine und die Gleichheit des Verhältnisses ins Auge faßt, sind sie für
alle Gegenstände dieselben. Es kann fraglich erscheinen, ob die Prinzipien und
Elemente für die selbständigen Wesen und für die Relation und ebenso für die
anderen Kategorien verschieden oder identisch sind. Aber sie für alles als
identisch anzunehmen, würde zum Widersinn führen. Dieselben Elemente also
sollen der Relation und der Wesenheit zu Grunde liegen. Welche
sollten es sein? Ein Allgemeines, was nicht entweder unter den Begriff
der Substanz oder unter den einer der anderen Kategorien fiele, die von der
Substanz ausgesagt werden, gibt es nicht. Da das Element das Prius dessen ist,
worin es eingeht, so ist ebensowenig, wie die Substanz Element der Relation ist,
irgend etwas Relatives Element der Substanz. Überdies, was soll man sich dabei
denken, daß die Elemente von allem dieselben seien? Kann doch das Element nicht
identisch sein mit dem, was aus den Elementen besteht, und die Silbe ba ist doch
nicht identisch mit den Lauten b oder a. Nebenbei bemerkt: dies ist auch der
Grund, weshalb es kein gemeinsames Element des begrifflich Seienden, etwa das
Eins oder das Seiende, gibt; denn was aus dem Eins oder dem Seienden gebildet
wird, ist selbst wieder ein Eins
und ein Seiendes. Hätten also, um darauf zurückzukommen, alle Kategorien
dieselben Elemente, so würde weder die Substanz noch die Relation zu diesen
Elementen gehören; und doch müßten sie dazu gehören. Mithin können unmöglich
die Elemente von allem dieselben sein; oder, wie wir uns ausdrücken: sie können
es wohl sein in dem einen Sinne, in dem anderen Sinne können sie es nicht.
So
darf man sagen, daß in gewissem Sinne die Wärme den sinnlichen Gegenständen
als Form und in anderer Weise die Kälte ihnen als Privation zugehört: die
Materie ist dann die Möglichkeit, beides zu sein ursprünglich und an und für
sich selbst; Substanzen aber sind diese beiden und das aus ihnen Bestehende,
dessen Prinzipien jene beiden sind, oder was etwa aus Warmem und Kaltem zu Einem
wird, wie Fleisch oder Knochen. Denn was aus ihnen geworden ist, das muß
notwendig ein von ihnen Verschiedenes sein. Von diesem also sind die Elemente
und Prinzipien diese, von anderen sind es andere. Es sind nicht von allem
dieselben, wenn man es in diesem Sinne nimmt; dagegen sind es wohl dieselben,
wenn man Element im Sinne der Gleichheit des Verhältnisses zu dem daraus
Gebildeten nimmt. So, wenn jemand sagen wollte, daß die Prinzipien drei an der
Zahl sind, Form, Privation und Materie. Jedes dieser Prinzipien ist dann je nach
dem besonderen Gebiete der Dinge verschieden; so ist es für die Farbe das
Weiße,
das Schwarze und die erscheinende Außenseite, das Licht, das Dunkel und die
Luft: und aus diesen entsteht Tag und Nacht.
Nun
liegen aber die Ursachen nicht immer bloß in der Sache selbst, sondern sie können
auch etwas außer der Sache sein; so die bewegende Ursache. Offenbar also ist
Prinzip und Element zu unterscheiden. Ursachen freilich sind beide, und das
ergibt eine Einteilung der Ursachen. Das was Bewegung oder Ruhe setzt, ist
Prinzip und Ursache. So gibt es denn der Elemente, wenn man den Begriff auf die
Gleichheit des Verhältnisses zurückführt, drei; dagegen der Ursachen und
Prinzipien vier. Für verschiedene Gegenstände sind sie verschieden; auch die nächste
Ursache, die bewegende, ist verschieden für verschiedenes. Ist Gesundheit,
Krankheit, der Leib gegeben, so tritt als bewegende Ursache die Heilkunst, ist
Form, verhältnismäßige Ordnungslosigkeit und Baumaterialien gegeben, als
bewegende Ursache die Baukunst hinzu. Das sind die Arten, in die das Prinzip
eingeteilt wird. Da nun in dem Gebiete der natürlichen Dinge die bewegende
Ursache das konkrete Ding von gleicher Form, z.B. für den Menschen der Mensch
ist, dagegen in den Erzeugnissen des gedanklichen Tuns die Form oder der
Gegensatz der Form, so kann man in gewissem Sinne drei Ursachen aufzählen; zählt
man freilich, wie wir es eben getan haben, so sind es vier. Denn die Heilkunst
ist in gewissem Sinne die Gesundheit selbst, die Baukunst die Form des Hauses
selbst, und der Mensch zeugt den Menschen. Über diesem steht dann noch das, was
als das Oberste von allem alles bewegt.
Die
Objekte zerfallen in für sich bestehende und nicht für sich bestehende; die
ersteren heißen Substanzen und sind aus demselben Grunde die Ursachen von allem.
Denn nimmt man die Substanzen weg, so fallen auch die Zustände und die
Bewegungen fort. Dahin wird denn wohl die Seele und der Leib gehören, oder der
denkende und begehrende Geist und der Leib.
Auch
noch in anderem Sinne gibt es unter dem Gesichtspunkte der Gleichheit des Verhältnisses
identische Prinzipien für alle Dinge, nämlich Wirklichkeit und Möglichkeit.
Indessen sind doch auch diese für verschiedenes verschieden und von
verschiedener Bedeutung. In manchen Fällen ist es eines und dasselbe, was das
eine Mal der Wirklichkeit, das andere Mal der Möglichkeit nach ist, z.B. Wein,
Fleisch oder ein Mensch. Indessen fällt diese Unterscheidung mit der oben erwähnten
Unterscheidung der Ursachen auch wieder zusammen. Denn der Wirklichkeit nach ist
die Form, sofern sie etwas für sich Bestehendes ist, ist aber auch das aus Form
und Stoff Zusammengesetzte und weiter auch die Privation; z.B. Dunkel oder
Krankheit. Der Möglichkeit nach aber ist die Materie; denn sie ist dasjenige,
was beides zu werden vermag.
Der
Unterschied des der Wirklichkeit und des der Möglichkeit nach Seienden ist ein
anderer bei dem, was nicht eine und dieselbe Materie hat, ein anderer bei dem,
was nicht eine und dieselbe Form hat. So sind Ursachen des Menschen die Elemente,
Feuer und Erde als Materie, sodann die für ihn charakteristische Form, und
weiter anderes außer ihm, wie der Vater, dazu noch die Sonne und die Schiefe
ihrer Bahn, also solches, was weder als Materie noch als Form, weder als
Privation noch als mit ihm zur gleichen Gattung gehöriges Einzelnes gelten kann,
was aber als bewegende Ursache wirksam wird.
Man
muß sich dann weiter klar machen, daß man wohl das eine als Allgemeines fassen
darf, anderes wieder nicht. Die eigentlichen Prinzipien von jeglichem sind
jedesmal erstens etwas Bestimmtes, der Wirklichkeit nach Seiendes, und zweitens
ein anderes, der Möglichkeit nach Seiendes. Jenes nun ist nicht als Allgemeines
zu fassen; denn Prinzip des Einzelnen ist immer wieder ein Einzelnes. So ist
wohl allgemein der Mensch Prinzip des Menschen; das heißt aber nicht etwa, daß
es nicht ein einzelner bestimmter Mensch wäre. Vielmehr wie Peleus für Achill,
so ist es für dich dein Vater. Dieses bestimmte B ist Prinzip für dieses
bestimmte BA; das B als allgemeines aber ist Prinzip für BA, wenn dieses
schlechthin allgemein genommen wird.
Sodann
sind die Gattungen der Substanzen zu unterscheiden. Für Verschiedenes sind wie
gesagt die Ursachen und Elemente verschieden, nämlich für das, was nicht
derselben Gattung angehört, für Farben, Töne, Substanzen, Quantität; sie
fallen nur unter dieselbe Analogie. Ja, sie sind auch für dasjenige, was zu
derselben Gattung gehört, verschieden, nicht zwar der Gattung nach, sondern so,
daß sie für das Einzelne jedesmal ein anderes sind; so ist die Materie, die
Form, die bewegende Ursache für dich und für mich verschieden, während sie
als Allgemeines und dem Begriffe nach dieselben sind.
Faßt
man also bei der Untersuchung, welches die Prinzipien oder die Elemente der
Substanzen, der Relationen und der Qualitäten sind, ob sie dieselben oder ob
sie verschieden sind, die Ursachen aller Dinge unter gemeinsamem Namen zusammen,
so erweisen sie sich offenbar als identisch; hält man aber die einzelnen
auseinander, so sind sie nicht dieselben, sondern verschieden, und nur in
bestimmter Weise sind sie dieselben für alles. In bestimmter Weise, das heißt
der allgemeinen Bedeutung nach, sind sie identisch; so Materie, Form, Privation,
bewegende Ursache; sie sind es in bestimmter Weise, sofern die Ursachen der
Substanzen als Ursachen von allem zu gelten haben, weil, werden sie aufgehoben,
auch das andere mit aufgehoben wird; sie sind es endlich, sofern die erste
aktuell bewegende Ursache allen Dingen gemeinsam ist. In bestimmter anderer
Weise sind sie dagegen verschieden: denn soviel ursprünglich Entgegengesetztes
es gibt, so viel verschiedene Form-Ursachen gibt es, die weder als Gattung noch
als Allgemeines bezeichnet werden; und dazu kommt dann die Verschiedenheit der
Materien.
Die
Frage nach den Prinzipien des sinnlich Wahrnehmbaren, welche und wie viele sie
sind, in welchem Sinne sie identisch, in welchem sie verschieden sind, hätten
wir damit beantwortet.
2. Das absolute Prinzip
Es hat sich uns eine Dreizahl von Wesen ergeben, zwei, die der Natur
angehören, und ein drittes, dem alle Bewegung fremd ist. Von dem letzteren gilt
die Aussage, daß es notwendig ein Wesen geben muß, das ewig und unbeweglich
ist. Denn die selbständigen Wesen sind von allen Seienden das Oberste; wären
sie sämtlich vergänglich, so wäre alles vergänglich.
Die
Bewegung andererseits kann weder entstehen noch vergehen; sie war immer. Und
ebenso die Zeit. Denn wo es keine Zeit gibt, kann es auch kein Früher oder Später
geben. Nun ist aber die Bewegung ebenso stetig wie die Zeit; denn sie ist
entweder mit der Zeit identisch, oder diese ist eine Bestimmung an ihr. Stetig
aber ist allein die Bewegung, die räumlich, und genauer die, die kreisförmig
ist.
Gäbe
es nun zwar ein Bewegendes oder Schöpferisches, das aber nicht in wirklicher Tätigkeit
bestände, so würde es gleichwohl nicht zu einer Bewegung kommen. Denn es
bleibt immer denkbar, daß das, was das Vermögen hat zu wirken, doch nicht
wirkt. Es hilft deshalb auch nichts, Wesen mit dem Prädikate der Ewigkeit zu
setzen, wie etwa die Vertreter der Ideenlehre es tun, wenn jenen Wesen nicht
auch ein Prinzip innewohnt mit dem Vermögen, tätig Veränderung zu wirken.
Aber auch dies letztere würde noch nicht genügen, und auch nicht das Setzen
einer anderen Wesenheit noch neben den Ideen. Denn besteht dieselbe nicht in
wirklicher Tätigkeit, so gibt es immer noch keine Bewegung; und es gibt auch
dann noch keine, wenn sie zwar in Wirksamkeit tritt, aber ihr eigentliches Wesen
ein bloßes Vermögen bildet. Buch so ergäbe sich keine ewige Bewegung; denn es
bleibt immer denkbar, daß das, was bloß die Möglichkeit hat zu sein, nicht
sei. Es muß mithin ein Prinzip sein von der Art, daß wirklich tätig zu sein
sein eigentliches Wesen ausmacht. Wesenheiten solcher Art müssen überdies
immateriell sein, weil sie, wenn irgend etwas sonst, ewig sind, und mithin müssen
sie reine Aktualität sein schlechthin.
Indessen,
hier erhebt sich eine Schwierigkeit. Es liegt die Überlegung nahe, daß zwar
alles, was wirksam ist, auch das Vermögen hat wirksam zu sein, aber nicht
alles,
was dieses Vermögen hat, auch wirklich wirksam ist, daß also das Vermögen als
das Ursprünglichere gesetzt werden müsse. Ist dem aber so, so kommt es wieder
schlechterdings zu keinem Sein. Denn es bliebe ja denkbar, daß zwar das Vermögen
zu sein, und doch kein wirkliches Sein gegeben wäre.
Andererseits
verhielte es sich so, wie die Mythendichter sagen, die alles aus der Nacht
entspringen lassen, oder so, wie die Naturphilosophen meinen, die das »alles
war durcheinander« als uranfänglich setzen, so ergäbe sich dieselbe
Undenkbarkeit. Denn wie soll es zu einer Bewegung kommen, wenn nichts da ist,
was sie durch seine Wirksamkeit als Ursache hervorbringt? Das Baumaterial bewegt
sich doch nicht selbst, sondern die Baukunst bewegt es; und ebenso ist es mit
dem Menstruationsblut oder der Erde einerseits und dem Samen und dem Saatkorn
andererseits.
Das
ist der Grund, weshalb die einen eine ewige Wirksamkeit annehmen, wie Leukipp
und Plato, die die Bewegung als ewig setzen; leider sagen sie nur nicht, weshalb
sie sei und was sie sei, weder welches ihre Beschaffenheit, noch welches ihr
Grund sei. Und doch bewegt sich nichts in beliebiger Weise; es muß immer ein
Grund da sein, warum etwas sich gerade so bewegt, sei es von Natur in dieser
Weise, sei es in der anderen Weise durch äußere Nötigung, etwa seitens der
Vernunft oder irgend eines anderen Grundes.
Sodann,
welches ist denn nun die Ursprüngliche Bewegung? Darauf kommt doch außerordentlich
viel an. Plato selber vermag nicht bei dem stehen zu bleiben, was er bisweilen für
das Prinzip erklärt, nämlich bei dem sich selbst Bewegenden, der Seele. Diese
ist ihm nämlich im Vergleich mit dem Universum das Spätere, und doch auch
wieder mit diesem gleichzeitig.
Hat
also die Annahme, daß das Vermögen das Ursprüngliche, die Wirksamkeit das
Abgeleitete sei, etwas für sich, so hat sie doch auch wieder mancherlei gegen
sich. Wir haben über den Gegenstand bereits gehandelt. Daß tätige
Wirklichkeit das Ursprüngliche sei, dafür zeugt die Ansicht des Anaxagoras,
denn »Vernunft« besteht in tätiger Wirksamkeit. Ebenso ist es die Ansicht des
Empedokles, der Liebe und Streit, und derjenigen, die die Bewegung als ewig
setzen, wie Leukipp. Ist die tätige Wirksamkeit früher als das Vermögen, dann
liegt nicht das Chaos oder die Nacht unendliche Zeit voraus, sondern es ist ewig
dasselbe, sei es in periodischer Wiederkehr, sei es auf andere Weise.
Ist
immer dasselbe in periodischer Wiederkehr, so muß etwas verharren, was ewig in
gleicher Weise tätig wirkt. Soll es dagegen Entstehen und Vergehen geben, so
wird noch ein zweites erfordert, was zwar immer wirksam ist, aber auf immer
verschiedene Weise; dieses muß auf die eine Weise an sich, auf die andere Weise
in bezug auf anderes tätig sein, und dieses andere kann entweder ein drittes
oder eben jenes erste sein. Notwendig ist die letztere Annahme vorzuziehen. Denn
dieses dritte müßte wiederum den Grund für das zweite bilden und selbst
seinen Grund in einem anderen haben. Also besser, man läßt es bei jenem ersten
bewenden. Denn eben dies war der Grund der immer gleichen, ein zweites der Grund
der wechselnden Bewegung; die Stetigkeit der immer wechselnden Bewegung hat also
ihren Grund in beidem zusammen. Und so in der Tat vollziehen sich die Bewegungen.
Wozu sich also noch nach anderen Prinzipien umtun?
Ist
nun einerseits diese Annahme verständlich, ist man andererseits gezwungen, im
andern Falle alles aus der Nacht, dem Chaos oder dem Nichts abzuleiten, so darf
das Problem als gelöst gelten. Es gibt etwas, was sich ewig bewegt in nimmer
rastender Bewegung; diese aber ist die Kreisbewegung. Das geht nicht allein aus
begrifflicher Untersuchung hervor, sondern das bestätigen auch die beobachteten
Tatsachen.
Demnach
ist erstens ein Ewiges, der Fixsternhimmel, und zweitens gibt es etwas, was ihn
in Bewegung setzt. Wie es bloß Bewegtes gibt und als Mittleres solches, was
Bewegtes und Bewegendes zugleich ist, so gibt es demnach eines, was selber
unbewegt anderes bewegt, ein Ewiges, was ganz und gar reines Sein und reine
Wirksamkeit ist.
Die
Art aber, wie es bewegt, wird folgende sein. Der Gegenstand des Begehrens und
der Gegenstand des Denkens bewegt anderes gerade auf diese Weise, nämlich ohne
selbst bewegt zu werden. Der Grundbedeutung nach ist beides identisch. Denn
Gegenstand des Begehrens ist, was als wertvoll erscheint, Gegenstand des Wollens
aber ist in erster Reihe das, was wertvoll ist. Wenn wir etwas erstreben, so
geschieht es, weil es uns wertvoll scheint, nicht umgekehrt scheint es uns
wertvoll, weil wir es erstreben. Denn das Prinzip dafür ist der Gedanke.
Der
Gedanke wird vom Gegenstande des Gedankens in Bewegung gesetzt; Gegenstand des
Denkens aber an und für sich ist die eine der beiden Gruppen, diejenige der die
Form angehört; in dieser steht die selbständige Wesenheit an der Spitze, und
zwar vor allen das einfache Wesen, das reine Wirksamkeit ist. Einfach heißt
aber nicht dasselbe wie eins. Eins bedeutet ein Maß, einfach eine
Beschaffenheit des Gegenstandes.
Nun
gehört aber das Wertvolle, das um seiner selbst willen zu Begehrende, derselben
Gruppe an wie der Gegenstand des Denkens. Das jedesmal Beste oder doch ein ihm
Verwandtes ist das, was in jener Gruppe das erste ist. Daß aber die
Zweckursache zu dem gehört, was sich nicht bewegt, haben wir in unserer »Scheidung
der Gegensätze« gezeigt. Zweck
heißt Grund für etwas und Grund von etwas. Das, wofür der Zweck Grund
ist, ist ein Bewegtes, z.B. der Kranke; das, wovon der Zweck Grund ist, ist ein
nicht Bewegtes, z.B. die Gesundheit Die Zweckursache bewegt, wie der Gegenstand
der Liebe den Liebenden bewegt, und mit dem, was so bewegt wird, bewegt sie
weiter das andere.
Wenn
etwas bewegt wird, so liegt darin, daß es die Möglichkeit der Veränderung an
sich trägt. Ist nun Ortsbewegung und die Wirksamkeit, durch die etwas bewegt
wird, das Ursprüngliche, so ist damit die Möglichkeit gesetzt, seinen Ort,
wenn auch nicht seine Substanz, zu verändern. Gibt es aber etwas, was selbst
unbewegt anderes bewegt, etwas was wirksam ist schlechthin, so gibt es für
dieses keine Möglichkeit einer Veränderung überhaupt Ortsbewegung ist die
ursprünglichste Veränderung; in ihr ist es wieder die kreisförmige; diese
also stammt aus dem, was wir eben bezeichnet haben, aus dem Unbewegten, immer
Wirksamen.
Dieses
hat also sein Sein als ein Notwendiges, und weil als Notwendiges auch als Vernünftiges,
und in diesem Sinne ist es Prinzip. Notwendigkeit bedeutet auch wieder
Verschiedenes. Etwas ist notwendig durch äußeren Zwang, weil gegen den inneren
Trieb; oder es ist etwas notwendig im Sinne der Bedingung für die Erreichung
eines Zieles; oder es ist drittens etwas notwendig im Sinne dessen, was nicht
anders sein kann, was schlechthin ist. Von dieser Art ist das Prinzip, und an
ihm hängt Himmel und Erde.
Die
heitere Klarheit im Dasein dieses obersten der Wesen ist gleich dem, was für
uns das herrlichste ist, und was uns immer nur für kurze Augenblicke zu teil
werden kann. Diese Herrlichkeit genießt es immer. Uns
bleibt das versagt. Denn bei ihm äst seine Wirksamkeit zugleich seine Seligkeit.
Ist doch auch bei uns das Wachsein, die Wahrnehmung, das Denken das Köstlichste,
und um ihretwillen auch Hoffnung und Erinnerung.
Das Denken aber an sich hat zum Gegenstande das, was an sich das
Wertvollste ist, und das reinste Denken hat auch den reinsten Gegenstand. Mithin
denkt das Denken sich selbst; es nimmt teil an der Gegenständlichkeit; es wird
sich selber Gegenstand, indem es ergreift und denkt, und so wird das Denken und
sein Objekt identisch. Denn das was für den Gegenstand und das reine Wesen empfänglich
ist, ist der denkende Geist, und er verwirklicht sein Vermögen, indem er den
Gegenstand innehat.
Das
Göttliche, das man dem denkenden Geiste als sein Eigentum zuschreibt, ist also
mehr dieser Besitz als die bloße Empfänglichkeit; das Seligste und Höchste
ist die reine Betrachtung. Ist nun Gottes Seligkeit ewig eine solche, wie sie
uns wohl je einmal zu teil wird, wie wunderbar! Ist sie eine noch höhere, wie
viel wunderbarer noch! So
aber verhält es sich.
Und
auch das Prädikat der Lebendigkeit kommt ihm zu. Denn die Wirksamkeit des
denkenden Geistes ist Leben; Gott aber ist reine Wirksamkeit, und seine
Wirksamkeit an und für sich ist ein höchstes, ein ewiges Leben. Und so sagen
wir denn: Gott ist das ewige, absolut vollkommene Lebendige, und ihm kommt
mithin ein zeitloses ewiges Leben und Dasein zu. Das nun ist Gottes Wesen und
Begriff.
Nicht
zu billigen ist also die Ansicht derjenigen, die wie die Pythagoreer und
Speusipp annehmen, das Wertvollste und Höchste sei nicht das Uranfängliche;
sie deuten dabei hin auf das Beispiel der Pflanzen und Tiere, die zwar aus
gewissen Keimen als ihren Ursachen sich entwickeln, bei denen aber das Zweckmäßige
und Vollkommene erst das daraus abgeleitete sei. Aber es stammt doch der Same
selbst wieder von anderen, schon gebildeten Wesen, die vor ihm waren; also ist
nicht der Same das Ursprüngliche, sondern das vollendete Gebilde. Und so darf
man denn sagen: der Mensch ist früher als der Same, nicht der Mensch, der aus
dem Samen gezeugt wird, sondern der Mensch, von dem der Same stammt.
Durch
das, was wir ausgeführt haben, ist der Beweis geliefert, daß es ein ewiges,
unbewegtes Wesen gibt, das von aller Sinnlichkeit frei ist. Zugleich aber geht
daraus hervor, daß diesem Wesen Ausdehnung in keinem Sinne zukommen kann, daß
es vielmehr ungeteilt und unteilbar ist. Denn es übt bewegende Kraft die
unendliche Zeit hindurch; etwas Endliches aber kann kein unendliches Vermögen
besitzen.
Jede
Größe ist entweder endlich oder unendlich. Endliche Größe kann jenes Wesen
nicht haben aus dem angegebenen Grunde; unendliche Größe aber kann es nicht
haben, weil es eine unendliche Größe schlechterdings nicht geben kann. Daraus
folgt dann weiter, daß diesem Wesen Unveränderlichkeit und Unwandelbarkeit
zukommt. Denn alle anderen Arten der Veränderung sind aus der räumlichen
Bewegung abgeleitet.
Damit
hätten wir denn die Gründe aufgezeigt, weshalb jenem Wesen diese Prädikate
zukommen müssen.
Nun
dürfen wir aber weiter auch die Frage nicht unerörtert lassen, ob man das so
gekennzeichnete Wesen als eines oder als mehrere, und in letzterem Falle wie
viele man setzen muß, und dabei müssen wir auch der Ansichten der anderen
gedenken, die allerdings über diese Frage der Zahl nichts zu sagen gewußt
haben, was strengeren Forderungen gerecht würde. Die Ideenlehre wenigstens hat
den Gegenstand gar keiner besonderen Untersuchung gewürdigt. Ihre Anhänger
bezeichnen die Ideen als Zahlen; die Zahlenreihe aber betrachten sie das eine
Mal als unendlich, das andere Mal als durch die Zehnzahl begrenzt, und aus
welchem Gründe die Anzahl der Zahlen gerade diese oder jene sein soll, darüber
haben sie in beweiskräftiger Strenge nicht gehandelt.
Wir
hier müssen von dem bisher Erörterten und Ausgemachten aus weiter schließen.
Das Prinzip, der Ursprung dessen was ist, sahen wir, ist unbewegt erstens an
sich und zweitens seinen Bestimmungen nach; aber es bewegt anderes und setzt die
ursprüngliche, die ewige und einheitliche Bewegung. Wird etwas bewegt, so muß
es notwendig eine Ursache seiner Bewegung haben: diese erste Ursache der
Bewegung muß an sich unbewegt, die Ursache der ewigen Bewegung muß selbst ewig,
und die Ursache der einheitlichen Bewegung muß selbst einheitlich sein.
Nun
sehen wir aber, daß es neben der einfachen räumlichen Bewegung des Alls, als
deren Ursache wir das erste, das unbewegliche Wesen bezeichnen, noch andere räumliche
Bewegungen gibt, die gleichfalls ewigen Bewegungen der Planeten. Denn ewig und
rastlos bewegt ist der Körper, der sich im Kreise dreht, wie wir in unseren
Schriften zur Naturphilosophie nachgewiesen haben. Es muß also auch eine jede
dieser Bewegungen eine an sich unbewegte ewige Wesenheit zur Ursache haben. Denn
die Natur der Gestirne ist eine ewige Wesenheit; also ist die Ursache ihrer
Bewegung gleichfalls ewig und geht dem was bewegt wird voraus. Was aber der
selbständigen Wesenheit vorausgeht, muß gleichfalls selbständige Wesenheit
sein. Es muß also offenbar ebensoviele Wesen geben, die von Natur ewig, selber
unbewegt und ohne Ausdehnung sind, wie es Bewegungen gibt, aus dem oben
angegebenen Grunde.
Danach
ist es ausgemacht, daß es eine Mehrheit von Wesen gibt, und welche darunter den
ersten, welche den zweiten Rang einnimmt, der Ordnung entsprechend, wie sie in
den Bewegungen der Gestirne sich darstellt. Die Anzahl der Bewegungsformen aber
muß man sich von dem Zweige der mathematischen Wissenschaften angeben lassen,
der der Philosophie am nächsten verwandt ist, von der Astronomie. Denn diese
hat zum Gegenstande ihrer Betrachtung die Substanz, die sinnlich und ewig
zugleich ist, während die anderen, Arithmetik und Geometrie, es überhaupt
nicht mit Substanzen zu tun haben.
Wenn
indessen eine Bewegung anzunehmen, die nicht zu der Bewegung eines Gestirns
erfordert wird, unzulässig ist; wenn außerdem die Annahme gilt, daß alles was
Natur und alles was Substanz heißt, sofern es unwandelbar ist, und an und für
sich die größte Vollkommenheit besitzt, die Bedeutung des Zweckes habe: so
ergibt sich, daß es außer den genannten Gebilden in der Natur ein weiteres
nicht geben kann, daß also die Zahl der Wesenheiten die oben bezeichnete sein
muß. Denn gäbe es wirklich noch weitere, so würden sie zum Zwecke des Umlaufs,
also als Ursache von Bewegungen gesetzt sein müssen; es ist aber unmöglich, daß
es außer den bezeichneten Bewegungen noch andere gebe. Das darf man mit großer
Wahrscheinlichkeit auf Grund der beobachteten Bewegungen vermuten. Denn wenn
alles, was Bewegung setzt, um dessen willen da ist, was von ihm bewegt wird, und
jede Bewegung einem bewegten Gegenstande zukommt, so ist es undenkbar, daß eine
Bewegung ihrer selbst willen, undenkbar, daß sie um einer anderen Bewegung
willen da sei; so muß vielmehr jede um eines Gestirns willen sein. Denn wäre
eine Bewegung um einer anderen Bewegung willen, so müßte auch diese wieder um
einer dritten Bewegung willen gesetzt sein. Also muß es, da der Fortgang ins
Unendliche ausgeschlossen ist, für jede Bewegung einen Zweck geben, nämlich
einen der am Himmel sich umschwingenden göttlichen Körper.
Offenbar
ferner gibt es nur eine einheitliche Welt. Denn wären es der Welten mehrere,
etwa wie es der Menschen viele gibt, so würde doch das Prinzip für eine jede
dieser vielen Welten der Idee nach eines und dasselbe, und nur der Zahl nach würden
es viele sein. Alles aber, was eine Vielheit der Zahl nach ist, ist mit Materie
behaftet. In einer Vielheit, z.B. von Menschen, ist der Begriff ein und derselbe;
Sokrates dagegen ist von anderen verschieden durch seine Materie. Das
begriffliche Wesen aber, welches der Ursprung ist, hat nichts von Materie an
sich; es ist vielmehr Entelechie, tätiger immanenter Zweck. Und wie mithin die
oberste Ursache der Bewegung, welche unbewegt ist, der Zahl wie dem Begriffe
nach eins ist, ebenso ist auch das stetig und ewig Bewegte nur eins, und also
ist auch die Welt nur eine.
Von
den Vorfahren aus den ältesten Zeiten ist in mythischer Form die Überlieferung
auf die Nachwelt gekommen, daß diese Wesenheiten Götter seien und die Gottheit
die ganze Natur durchwalte. Das ist dann weiter in der Weise des Mythus
ausgesponnen worden, um im Interesse der gesetzlichen Ordnung und des öffentlichen
Wohles Eindruck auf den großen Häufen zu machen. Man legt ihnen menschliche
Gestalt oder auch Ähnlichkeit mit anderen lebenden Wesen bei, und anderes, was
sich daran anschließt und mit dem Bezeichneten zusammenhängt. Nimmt man darin
nun eine Auswahl vor, und hält man nur das als das eigentliche Wesen fest, daß
sie die obersten Wesenheiten für Götter hielten, so darf man darin wohl eine göttliche
Offenbarung finden und annehmen, daß diese Vorstellungen sich wie in Überresten
bis auf den heutigen Tag erhalten haben. Ist doch aller Wahrscheinlichkeit nach
jede Art von Kunstfertigkeit und wissenschaftlicher Einsicht, soweit es jedesmal
möglich war, wiederholt entdeckt worden und wieder verloren gegangen.
Infolgedessen ist denn auch der uns von den Vätern und von den ältesten
Menschengeschlechtern her überkommene Glaube uns nur soweit recht verständlich.
Schwierigkeiten
bietet weiter die Frage, die das Denken als Tätigkeit des Absoluten betrifft.
Unter dem, was uns an Gott entgegentritt, nimmt man als das eigentlich Göttliche
die denkende Vernunft; indessen hat es seine Dunkelheiten, wie die Vernunft sich
verhält, um diesen Rang zu behaupten. Denn denkt sie nicht wirklich, was wäre
dann an ihr so Verehrungswürdiges? Es wäre ebensogut, als ob sie schliefe.
Denn dann wäre das, was ihre Substanz ausmacht, nicht wirkliches Denken,
sondern ein bloßes Vermögen. Denkt sie aber wirklich, doch so, daß ein
anderes, ein Fremdes, Macht über sie hätte, so wäre sie nicht das Höchste,
das Absolute; denn das Denken ist es, durch welches ihr dieser Rang zukommt.
Aber weiter; mag das bloße Vernunftvermögen oder die wirkliche Tätigkeit des
Denkens ihre Substanz bilden: welches ist das Objekt, das sie denkt? Das Objekt
ihres Denkens kann entweder sie selbst oder etwas anderes sein, und wenn etwas
anderes, entweder immer dasselbe
oder abwechselnd bald dieses, bald jenes. Macht es nun einen Unterschied oder
nicht, ob das was sie denkt etwas Wertvolles oder etwas Beliebiges ist? Oder wäre
es nicht geradezu widersinnig, gewisse Gegenstände als Objekte ihres Denkens
sich auch nur vorzustellen? Offenbar ist doch so viel, daß das Objekt ihres
Denkens das Göttlichste und Herrlichste sein muß, und ferner, daß dies Objekt
keinem Wechsel unterliegen darf. Denn jeder Wechsel müßte den Übergang zu
etwas Geringwertigerem bedeuten, und es wäre damit überdies in das Absolute
eine Bewegung gesetzt.
Wir
haben also Folgendes. Zunächst, wenn die absolute Vernunft nicht wirkliches
Denken, sondern ein bloßes Vermögen des Denkens wäre, so würde die Annahme
nahe liegen, daß ein unausgesetztes Denken für sie etwa allzu beschwerlich wäre.
Zweitens aber, ist sie wirkliches Denken und ihr Objekt von ihr verschieden, so
könnte es offenbar ein anderes geben, was an Wert über der Vernunft stände, nämlich
das Objekt des Denkens. Denn ein Gedanke und eine Denktätigkeit kommt auch da
vor, wo das Objekt das allergeringwertigste ist. Ist es nun Pflicht, gewisse
Objekte lieber nicht zu denken, - wie es ja von so manchen Dingen gilt, daß sie
nicht zu sehen besser ist als sie zu sehen, - so ergibt sich, daß nicht das
Denken als solches schon, sondern erst das Denken als Denken des Besten das Höchste
ist. Daraus folgt: Die Vernunft, wenn sie doch das Herrlichste ist, denkt sich
selbst, und ihr Denken ist ein Denken des Denkens.
Nun
fordert das Erkennen, das Wahrnehmen, das Vorstellen, das Reflektieren tatsächlich
ein von diesen Tätigkeiten unterschiedenes Objekt, und so könnten sie nur
gelegentlich und ausnahmsweise sich selber Objekt werden. Ist dann das Denken
das eine und das Gedachtwerden das andere: in welchem von beiden Verhältnissen
kommt dann dem Absoluten die Seligkeit zu? Ist doch das Sein als Denkendes und
das Sein als Gedachtes keineswegs dasselbe. Oder wäre dennoch in gewissen Fällen
die Erkenntnis selber das Objekt? Im künstlerischen Gestalten ist, wo die
Materie nicht ins Spiel kommt, das Objekt die Substanz und das begriffliche
Wesen; im rein theoretischen Verhalten ist es der Begriff und der Gedanke. Ist
nun das Objekt nichts anderes als die Vernunft selber, so wird beides als
solches, was mit Materie nicht behaftet ist, identisch, und das Denken wird mit
seinem Objekt eines und dasselbe sein.
Noch
ein Bedenken bleibt zu lösen. Ist das Objekt etwa ein Zusammengesetztes? Dann nämlich
könnte Veränderung in der Weise vorkommen, daß von einem Teile zu einem
anderen übergegangen würde. Ist aber nicht vielmehr alles Immaterielle ohne
Teile? Wie die menschliche Vernunft, die es mit solchem zu tun hat, was aus
Teilen besteht, sich zu Zeiten verhält, wie sie ihre volle Befriedigung nicht
in diesem oder jenem einzelnen findet, sondern den Gipfelpunkt ihres Daseins nur
in der Anschauung eines Ganzen erreicht, das doch immer noch von ihr selber
verschieden bleibt, - so verhält sich das göttliche Denken alle Ewigkeit
hindurch, aber als ein Denken seiner selbst.
Wir
müssen noch einen Punkt ins Auge fassen. Auf welche Weise enthält denn nun das
Weltgebäude das Gute und zwar das absolut Gute? Etwa als ein dem Ganzen selbständig
Gegenüberstehendes und an und für sich Seiendes? oder als die ihm immanente
Ordnung? und nicht vielmehr in beiderlei Weise, wie es in einem Heere der Fall
ist? Denn hier liegt das Heil in der Ordnung, und zugleich ist der Feldherr das
Heil des Ganzen, und zwar ist es dieser in höherem Grade; denn nicht er besteht
durch die Ordnung, sondern die Ordnung besteht durch ihn. In der Welt nun ist
zuletzt alles auf einander angelegt, wenn auch nicht alles in gleicher Würdigkeit:
Fische, Vögel, Pflanzen. Und dabei ist es nicht so, daß eines ohne Beziehung
zum anderen da wäre: ganz im Gegenteil; alles ist zu einem Ziele geordnet. Es
ist wie in einem Hauswesen, wo auch den Freien am wenigsten Spielraum vergönnt
ist nach Belieben zu handeln, sondern ihnen alles oder doch das meiste
vorgezeichnet ist, den Sklaven dagegen und den Haustieren nur weniges für den
Dienst der Gemeinschaft auferlegt, das meiste in ihr Belieben gestellt ist; den
bestimmenden Grund dafür bildet die natürliche Eigentümlichkeit eines jeden.
So, meine ich, besteht gleichsam für jegliches die Notwendigkeit, seine
besondere Stellung einzunehmen, und ebenso gibt es wieder anderes, was für
alles die gemeinsame Aufgabe bildet, um dem Ganzen zu dienen.
Wir dürfen aber nicht unterlassen, uns auch das klar zu
machen, in welche Unmöglichkeiten und Ungereimtheiten sich diejenigen
verstricken, die anders lehren als wir, ferner welches die gebildetere Ansicht
ist, und auf welcher Seite die Schwierigkeiten am geringsten sind.
Ganz
allgemein begegnet man der Annahme, daß alles dualistisch aus Gegensätzen zu
erklären sei. Daran ist weder das richtig, daß der Satz für alles gelte, noch
daß die Gegensätze die Erklärung leisten, und wo die Gegensätze wirklich
vorhanden sind, da erhält man keine Auskunft darüber, wie die Sache aus den
Gegensätzen hervorgeht. Denn die Gegensätze wirken doch nicht auf einander. Für
uns liegt die einfache überzeugende Lösung darin, daß es zu den Gegensätzen
eben noch ein Drittes gibt.
Manche
nun machen aus der Materie das eine Glied des Gegensatzes; so diejenigen, die
das Ungleiche dem Gleichen oder dem Einen das Viele gegenüberstellen. Auch hier
löst sich die Schwierigkeit für uns auf dieselbe Weise; denn das Prinzip ist für
uns nicht Glied eines Gegensatzes. Nach jener Ansicht müßte alles außer dem
Einen einen Mangel an sich tragen; denn da wird das »Ungleiche«, welches doch
das Schlechte ist, selber zum einen der beiden Elemente gemacht. Die anderen
wieder [wie Speusipp und die Pythagoreer] erkennen nicht einmal das Gute und das
Böse als Prinzipien an; und doch ist überall das Gute Prinzip im höchsten
Sinne.
Wieder
andere sind zwar darin auf dem rechten Wege, daß sie das Gute als Prinzip
bezeichnen, geben aber dann keine Auskunft darüber, in welcher Weise es Prinzip
ist, ob als Zweck oder als bewegende Ursache oder als Form. Auch des Empedokles
Auskunft ist nicht haltbar. Er erklärt die Freundschaft für das Gute; sie ist
Prinzip, und zwar als bewegende Ursache, - denn sie eint, - und als Materie, -
denn sie geht als Teil in die Mischung ein. Wenn nun einem und demselben beide
Bestimmungen zukommen, als Materie und als bewegende Ursache Prinzip zu sein, so
ist doch der Begriff des Verhältnisses nicht beide Male derselbe. In welcher
Bedeutung soll nun die Freundschaft Prinzip sein? Undenkbar ist es ferner, daß
der Streit unaufhebbar sein soll; macht doch eben dieser die Natur des
Schlechten aus. Anaxagoras wiederum läßt das Gute Prinzip sein im Sinne der
bewegenden Ursache; denn die Vernunft wirkt nach ihm bewegend, aber sie wirkt
zweckmäßig. Damit wäre also ein zweites gesetzt, nämlich der Zweck; es sei
denn, daß man es in unserem Sinne versteht, wonach die Heilkunst im Grunde die
Gesundheit selbst ist. Dann aber bleibt es wieder unverständlich, daß zum
Guten und zur Vernunft nicht auch ein Gegensatz angenommen wird.
Diejenigen,
die die Prinzipien nach Gegensätzen scheiden, wissen sämtlich von diesen
Gegensätzen keinen rechten Gebrauch zu machen, falls man ihnen nicht ein wenig
nachhilft. Auch aus welchem Grunde das eine vergänglich, das andere unvergänglich
ist, weiß keiner zu sagen; denn man erklärt alles was ist aus denselben
Prinzipien.
Manche
leiten das Seiende aus dem Nicht-seienden ab; andere lassen, um dieser Nötigung
zu entgehen, alles eines sein. Sodann auf die Frage, warum es immer ein Werden
geben wird und was die Ursache des Werdens ist, gibt keiner eine Antwort. Bei
denjenigen, die zwei Prinzipien annehmen, müßte es doch noch ein drittes geben,
was über denselben steht; und auch die Anhänger der Ideenlehre müßten ein
solches mächtigeres Drittes annehmen. Denn wie ließe sich sonst ein Grund
angeben, weshalb das Sinnliche an den Ideen teilgenommen hat oder gegenwärtig
teilnimmt? Für die anderen [die Pythagoreer] ergibt sich die Notwendigkeit
eines Gegensatzes zu der Wissenschaft und zu der Erkenntnis des Absoluten, für
uns nicht. Denn das Absolute hat keinen Gegensatz. Alles in Gegensätze
Zerfallende ist mit Materie behaftet, und der Möglichkeit nach sind die Gegensätze
identisch. Wo Gegensatz ist, da ist auch ein Nichtwissen vom Entgegengesetzten;
im Absoluten aber gibt es kein Nichtwissen.
Die
andere Ansicht ist die, daß es nichts gibt außer dem Sinnlichen. Dann aber
gibt es auch nicht Prinzip, noch Ordnung, noch ein Werden, noch die
Himmelserscheinungen, sondern dann gibt es von jeder Ursache nur immer wieder
eine Ursache. Und in der Tat ist das denn auch bei den in mythischer Form
Philosophierenden der Fall und durchgehends bei denen, die alles aus natürlichen
Ursachen erklären.
Existieren
aber außer dem Sinnlichen noch die Ideen oder Zahlen, so sind sie doch nicht
Ursachen von irgend etwas, und läßt man das nicht gelten, so sind sie
wenigstens nicht Ursache einer Bewegung. Überdies, wie soll Ausdehnung und
Kontinuität von dem kommen, was keine Ausdehnung hat? Denn die Zahl kann doch
keine Kontinuität bewirken, sowenig als bewegende Ursache wie als Formursache.
Vielmehr gäbe es dann kein Glied des Gegensatzes, das zu schaffen oder zu
bewegen vermöchte, und es bliebe möglich, daß gar nichts wäre. Denn da wäre
das Wirken das Spätere und das Vermögen das Frühere. Also wäre das Seiende
nicht ewig; es ist aber ewig. Mithin muß man von dieser Annahme etwas fallen
lassen, und wie, darüber haben wir uns oben erklärt.
Ferner,
wodurch die Zahlen eine Einheit bilden oder die Seele und der Leib, und nun gar
die Form und die Sache, davon weiß niemand ein Sterbenswörtchen zu sagen; und
es wird auch jede Auskunft unmöglich, wenn man es nicht wie wir von der
bewegenden Ursache ableitet.
Diejenigen,
die [wie Speusipp] die mathematische Zahl als das erste und danach immer weiter
eine Wesenheit nach der anderen und für jede wieder andere Prinzipien setzen,
die fassen den Bestand des Universums als ein lockeres, von Episoden
durchsetztes Gefüge, wo das eine nichts für das andere bedeutet, jedes dem
anderen gleichgültig, ob es ist oder nicht ist, und machen aus den Prinzipien
eine Vielheit. Das Seiende aber weist es zurück, schlecht verwaltet zu werden:
»Heil ist nicht in der Vielherrschaft; nur einer sei
Herscher!«
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